Hingehört: Tony Bennett – „Viva Duets“

Gekonnt, aber mit einfallsloser Songauswahl: der dritte Teil von Tony Bennetts "Duets"-Reihe.
Gekonnt, aber mit einfallsloser Songauswahl: der dritte Teil von Tony Bennetts „Duets“-Reihe.
Künstler Tony Bennett
Album Viva Duets
Label Sony
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung **

Um sich klar zu machen, wie lange Tony Bennett schon im Geschäft ist, hilft es am meisten, wenn man schaut, wen er alles überlebt hat. Als der heute 86-Jährige seine ersten Erfolge feierte, war Elvis Presley nicht nur qietschlebendig, sondern auch bloß ein etwas ausgeflippter Teenager an der Humes High School. Als Michael Jackson geboren wurde, war „Tony Benefit“, wie er wegen seines großzügigen Einsatzes für wohltätige Zwecke gerne genannt wird, gerade dabei, neben seinen Pop-Erfolgen auch die Anerkennung der Jazzwelt zu erlangen. Und als Frank Sinatra 1998 starb, begann für Bennett gerade erst das vierte Viertel seiner langen Laufbahn.

Seine Trophäensammlung ist stattlich: 17 Grammys, 50 Millionen verkaufte Platten, und seit 2011 dank des Duetts Body & Soul mit Amy Winehouse endlich auch ein erster Top40-Hit in Deutschland. Das dazugehörige Album Duets II war weltweit enorm erfolgreich und machte ihn unter anderem zum ältesten Künstler aller Zeiten, der mit seinem Album die Spitze der US-Charts erklimmt.

Kein Wunder also, dass er noch lange nicht genug hat: Am Freitag erscheint mit Viva Duets der dritte Teil seiner „Duets“-Reihe. Nachdem er sich im ersten Teil das Great American Songbook vorgenommen hatte und im zweiten Teil vor allem auf die Unterstützung junger Co-Stars wie Lady Gaga oder Norah Jones gesetzt hatte, sind diesmal einige der bekanntesten Stimmen der lateinamerikanischen Musikszene mit von der Partie.

Verwunderlich ist das nicht: Zum einen hat Bennett italienische Wurzeln und spätestens seit seinen Jazz-Ausflügen auch eine enge Bindung zu Sounds aus dem Süden. Zum anderen hat er eine riesige Latin-Fangemeinde: Unter den vielen Ländern, in denen Duets II an der Spitze der Charts stand, waren auch Spanien, Portugal und Mexiko. Auf Viva Duets sind nun Künstler aus neun Ländern zu hören, neben englischen Songs erklingen auch spanische und portugiesische Zeilen. Verständigungsprobleme gab es trotzdem nicht. „Alle Künstler waren so herzlich und gaben mir das Gefühl, willkommen zu sein, so dass sofort eine große Übereinstimmung und Verbindung zwischen uns herrschte. In der Latin Music stehen von je her Melodie und Harmonien im Mittelpunkt, es ist ein Musiksteil mit sehr viel Soul. Die künstlerische Nähe zu allen Duettgästen war daher von Anfang an sehr groß. Ich bin sehr begeistert von diesem Album“, schwärmt der Altmeister über die Aufnahmen.

Die Harmonie hört man den Lieder an: Viva Duets ist nicht nur ein perfekter Soundtrack für große Las-Vegas-Shows, sondern auch fürs entspannte Chillen am Pool in Miami oder für den Rentnertanz in der Lobby eines der schickeren Hotels auf den Kanaren. Mit anderen Worten: Diese Platte ist schick, beachtlich und ehrenwert, aber selbst im Vergleich zu ähnlich angelegten Projekten wie den Swing-Ausflügen von Rod Stewart extrem langweilig und, abseits der Idee, den lateinamerikanischen Markt zu erfreuen, nahezu überflüssig.

Handwerklich kann man freilich nichts bemängeln: Immer wieder lässt Tony Bennett seine Fähigkeiten als Crooner glänzen, gerne werden seine entspannten Pop- und Swing-Standards durch eine Spur lateinamerikanisches Temperament befeuert wie gleich zu Beginn in The Best Is Yet To Come (mit Chayanne). Fast frech und schelmisch wird er gemeinsam mit Dani Martín in Are You Havin’ Any Fun? Auch Don’t Get Around Much Anymore (mit Miguel Bosé) ist zumindest im Ansatz kraft- und schwungvoll.

Die (aus europäischer Sicht) größten Namen lassen sich auch nicht lumpen: Christina Aguilera liefert sich in Steppin’ Out With My Baby einen erstaunlich flotten Flirt mit Bennett. Gemeinsam mit Marc Anthony zeigt sich der 86-Jährige in For Once In My Life selig schwelgend und stimmlich in beeindruckender Form. Noch reizvoller wird das Duett mit Gloria Estefan in Who Can I Turn To (When Nobody Needs Me), weil sie dem erfahrenen Reiz seiner Stimme etwas beinahe Gleichgewichtiges entgegensetzen kann.

Nur eins ist schade: Bei der Songauswahl ging Tony Bennett ein bisschen zu sehr auf Nummer sicher. Von den 15 Songs der Viva Duets sind 13, mit anderen Gesangspartner, bereits auf einer der ersten beiden Duets-Platten enthalten gewesen. So eröffnet der dritte Teil der Duett-Reihe zwar die Möglichkeit, ein paar Größen der lateinamerikanischen Musikszene zu entdecken, aber keine neuen Facetten von Tony Bennett.

Wie war das mit Amy Winehouse? Tony Bennett erzählt:

httpv://www.youtube.com/watch?v=OQ7J_KQDUUg

Homepage von Tony Bennett.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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