Künstler | Veronica Falls | |
Album | Veronica Falls | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Von so etwas träumt man als Band. Gerade einmal zehn Minuten war die MySpace-Seite von Veronica Falls online, da meldete sich Mike Sniper bei der Band. Er ist Boss von Captured Tracks, einer der hippsten Plattenfirmen New Yorks. Und er wollte unbedingt Found Love In A Graveyard veröffentlichen, die erste Single von Veronica Falls.
So kam es dann auch. Weitere Songs auf ebenso angesagten Labels folgten, ein Live-Debüt als Vorgruppe von The Pains Of Being Pure At Heart und nun das Debütalbum. Die Begeisterung, die das Quartett aus London umweht, ist nicht sonderlich erstaunlich. Roxanne Clifford, James Hoare (jeweils Gitarre und Gesang), Patrick Doyle (Schlagzeug) und Marion Herbain (Bass) machen etwas, was schon seit den Zeiten von Buddy Holly und den Everly Brothers blendend funktioniert: Rocksongs mit einem gebrochenen Herzen und einer dunklen Seele.
“We love bands like Beat Happening, Velvet Underground, Galaxie 500 and Felt, but we also love over-emotionalism. We all originally bonded over the sinister sides to love songs from the 50’s and 60’s”, bestätigt Drummer Patrick Doyle auch gleich diese Traditionslinie. Das Debütalbum Veronica Falls ist voll mit ebenso hübschen wie morbiden Liebesliedern.
Noch bezeichnender für diese Platte ist aber ein dauernder Kampf. Fast alle Lieder auf Veronica Falls klingen, als wolle ein Teil dieser Songs davon preschen, während der andere es lieber bedächtig angehen lassen möchte. Die Musik ist energisch, der Gesang eher sphärisch – dieses Konzept ist in All Eyes On You am offensichtlichsten, aber es gilt auch für fast alle anderen dieser insgesamt zwölf Stücke.
Die erwähnte Single Found Love In A Graveyard klingt, als würden sich Belle & Sebastian in Grufties verwandeln: Das Lied hat ihre Liebe zu Melodie und Sixties-Atmosphäre, ein niedliches Zusammenspiel von Männer- und Frauenstimme, auch die geschickt vorgetäuschte Naivität, die man an den Schotten (auch drei Viertel von Veronica Falls kommen eigentlich aus Glasgow) so schätzt – aber eben auch eine düstere Aggressivität. Right Side Of My Brain wird mit seinen wilden Drums und der feurigen Gitarre nicht ganz Velvet Underground, aber zumindest Jonathan Richman. The Fountain ist rotzig und verführerisch wie es Elastica waren.
Man hört Veronica Falls an, dass die Lieder innerhalb von nur drei Tagen aufgenommen wurden, und das tut diesem Werk gut. Ursprünglich hatte man auf einen weitaus elaborierteren Sound setzen wollen, die Ergebnisse landeten dann aber im Mülleimer, erklärt James Hoare: “The previous session ultimately sounded overproduced. We ended up recording live, and it was this old fashioned method which captured the sound and feel of the band more accurately.”
Nun hat Misery ein nettes Retro-Flair à la The Long Blondes (inklusive einer acapella-Strophe ganz am Ende, die beinahe wie ein mittelalterlicher Kanon klingt), Bad Feeling hat die Raffinesse von The Drums und auch die Einfachheit (aber nicht die Unbedingtheit) der Ramones. Beachy Head (über eine Klippe an der englischen Südküste, die sich unter anderem durch ihre Anziehungskraft auf Selbstmörder einen Namen gemacht hat) klingt mit seinen Space-Chören etwas spinnert und lässt an die frühen B-52s denken.
Das Beste haben sich Veronica Falls für das Schlussdrittel aufgehoben. The Box wäre in jedem Zeitalter ein verdammt guter Song gewesen, auch in Wedding Day werden Lederjacke und Plüsch-Pyjama herrlich vereint. Der wundervolle Titelsong ist sehr stimmig und bewahrt sich doch den Rest eines Geheimnisses. Und ganz am Schluss, in Come On Over, bemerkt man plötzlich, dass niemand den Kampf zwischen Kraft und Träumerei gewonnen hat, sondern dass Veronica Falls daraus eine überzeugende, ungeahnte Symbiose geschaffen haben.
Morbid ist diese Musik in jedem Fall. Aber beim Videodreh am Beachy Head wollte dann glücklicherweise doch niemand von Veronica Falls springen:
httpv://www.youtube.com/watch?v=4WY-Iin7P_w