Künstler | Vetiver |
Album | The Errant Charm |
Label | Bella Union |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | *** |
„When is this old world gonna treat me kind?“, fragt sich Andy Cabic in, wie passend, Wonder Why. Diese Zeile aus dem siebten Song von The Errant Charm ist durchaus typisch für die Herangehensweise von Vetiver. Die Band aus San Francisco macht, böse formuliert, Musik für Heulsusen. Oder aber, wohlmeinend formuliert, die perfekte Untermalung für einen Nachmittag im Herbst.
The Durutti Column, Fleetwood Mac, Erik Satie und Yo La Tengo nennt das Presse-Info als Einflüsse auf The Errant Charm, das fünfte Album von Vetiver. Leichter wird ihr Sound erkennbar, wenn man weiß, dass das Quartett beispielsweise schon als Vorband für Devendra Banhart und Joanna Newsom auf der Bühne stand.
Entsprechend ruhig geht es los. Die Stimme von Andy Cabic, der auch alle Songs bei Vetiver schreibt, erinnert immer wieder an eine noch schüchternere Version von Ben Kweller und ist im Opener It’s Beyond Me fast nur geflüstert. Auch für den Rest des Albums gibt es ganz viel Simon & Garfunkel-Zartheit. Auf Politur legen Vetiver hingegen offensichtlich wenig Wert: Manches auf The Errant Charm klingt fast noch wie ein Demo.
Was es dafür gibt, ist eine immer wieder auszumachende Liebe zur Gitarre. Cabic und Produzent Thom Monahan (der auch schon für alle vorherigen Vetiver-Alben verantwortlich war) haben diesmal nicht mit fertigen Kompositionen gearbeitet, sondern im Studio mit Ideen und Versatzstücken gespielt und daraus dann die Songs gemacht. So hört man dem Album immer wieder an, wie fasziniert die Macher von einem strahlenden Picking, einem einzelnen Ton oder auch einem Effekt (wie der Smiths-Referenz in Can’t You Tell) waren.
Das zweite dominierende Element sind alte Keyboards und noch ältere Drum Machines. Sie sorgen dafür, dass The Errant Charm nach einem ganz langen Anlauf nicht nur Zauber, sondern dann doch auch Schwung entwickelt, zumindest in der Dimension, wie sie auch Belle & Sebastian erreichen, ohne ins Schwitzen zu kommen. Eine Orgel und leichte Reggae-Anleihen sorgen im besagten Can’t You Tell für Sommerstimmung, Hard To Break und Fog Emotion setzen danach auf lateinamerikanische Rhythmen.
Mit Right Away, pünktlich zur zweiten Hälfte der Platte, beweisen Vetiver erstmals so etwas wie Punch, auch wenn es eher ein Wattebäuschchen-Punch ist. Wonder Why wagt sich anschließend noch ein Stückchen weiter in Richtung Rock’N’Roll. Ride, Ride, Ride kommt dann sogar an diesem Ziel an: Das Lied ist klassischer Bluesrock, aber so langsam und schlapp, wie ihn die Rolling Stones in ihrem Alter eigentlich mittlerweile spielen müssten.
Mit dem schwebenden Faint Praise und dem mysteriös-stoischen Rausschmeißer Soft Glass findet The Errant Charm dann aber doch zurück in ruhiges Fahrwasser. Andy Cabic vergleicht das Album übrigens sehr passend mit einer kleinen Wanderung und empfiehlt, The Errant Charm am besten bei einem Spaziergang zu hören. Nicht der schlechteste Tip.
Vetiver sind so schüchtern, dass sie sich am liebsten komplett hinter den Mikros verstecken würden, wie dieser Mitschnitt von Wonder Why bei Radio Eins beweist:
httpv://www.youtube.com/watch?v=erTr0YK7CqM