Hingehört: Walk The Moon – „Walk The Moon“

"Walk The Moon" will Pop sein und hat genug Ideen, um daraus einen Spaß zu machen.
„Walk The Moon“ will Pop sein und hat genug Ideen, um daraus einen Spaß zu machen.
Künstler Walk The Moon
Album Walk The Moon
Label RCA
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung ***

Referenzen, die mir gestohlen bleiben können: Künstler, die sich „einige Jahre in einer Sekte des Boston Movement als Gesangsleiter verbarrikadiert hatten“. Alben, die inspiriert sind „vom griechischen Garage Rock der 60er und 70er“. Newcomer, die sich mit Remixes für Lady Gaga und Florence & The Machine einen Namen gemacht haben. Irgendwelche Musik mit dem Attribut „highly praised by Pitchfork“. Leute, die mit dem Songschreiben anfangen, um den Tod ihres Bruders zu verarbeiten, der sich mit 19 eine Überdosis verpasst hat.

Referenzen, die für mich vernünftig klingen: auf Tour mit Weezer und den Kaiser Chiefs. Vorbilder: The Killers, Talking Heads. Liebster Song, um ihn auf der Bühne zu covern: Let’s Dance von David Bowie.

Ersteres ist eine willkürliche Auswahl aus Presseinfos zu Platten, die in diesen Wochen erscheinen. Letzteres sind Fakten zu Walk The Moon. Das Quartett aus Cincinnati hat im Sommer Walk The Moon veröffentlicht, produziert von Ben H. Allen (Bombay Bicycle Club, Gnarls Barkley, Animal Collective) – und die Einordnung fällt nicht allzu schwer: Es ist ein Album, das Spaß macht.

Nicholas Petricca (Gesang), Eli Maiman (Gitarre), Kevin Ray (Bass) und Sean Waugaman (Schlagzeug) kennen sich schon seit Schulzeiten und haben 2008 ihre Band gegründet. Ihre Songs sind oft und gerne plakativ, fast immer tanzbar und ab und zu mit dem Thema Sex beschäftigt. What’s not to like?

Erfreulich ist, dass hier zu einer unverhohlenen und unverhohlen kalkulierten Radiofreundlichkeit (wie zuletzt meinetwegen bei Livingston gehört) eine erstaunliche Wucht kommt. Tightrope beispielsweise, das an die Young Knives erinnert, hat einen satten Punch und viel Unbedingtheit. Auch Quesadilla ganz zu Beginn wartet mit ein bisschen Brachialität auf, entscheidet sich dann aber doch, lieber ein niedlicher Opener à la Vampire Weekend zu werden. Dass Walk The Moon live am liebsten mit einer Kriegsbemalung auftreten, glaubt man jedenfalls sofort.

Lisa Baby setzt auf einen Seventies-Bass und ist einer von vielen Tracks auf Walk The Moon, der sehr kreative Drums zu bieten hat. Next In Line hört man seine Lust auf Theatralik an. Auch Anna Sun klingt mit seinem Discobeat und dem Monster-Refrain wie die Killers zu Zeiten von Sam’s Town. Kein Wunder: Der Song war schon auf dem Debütalbum I Want! I Want! vertreten, das Walk The Moon 2010 in Eigenregie produziert hatten. Das Lied „handelt vom College, davon, wie man sich ein kleines Stückchen Kindheit bewahrt“, sagt Nicholas Petricca. Anna Sun ist auch auf dieser Platte das beste Lied, aber es gibt einige, die ihm zumindest beinahe das Wasser reichen können.

Jenny beispielsweise, das man sich auch gut von Mando Diao vorstellen könnte, will sexy und anzüglich sein und schafft das auch, ohne peinlich zu werden – was schon eine Leistung ist. „Shall we get intimate again?“ lautet die Frage in Shiver Shiver, das leicht ironisch und funky wie The Virgins daherkommt. Iscariot ist drei Lieder vor Schluss die überfällige Ballade, die nach einem reduzierten Beginn mit Orgel und Gesang reichlich Bombast auffährt, aber darunter eben auch einen richtig guten Song zu bieten hat.

Danach geht es ein bisschen bergab: Fixin’ wird etwas plump (als hätte jemand Bon Jovi beauftragt, sich an einem Hit für die Indiedisco zu versuchen), auch die ungestüme Naivität des Rausschmeißers I Can Lift A Car wirkt etwas seltsam, bevor das Lied dann doch noch die Kurve kriegt. Damit ist es letztlich ein gutes Beispiel dafür, was die Qualität dieses Albums ausmacht: Walk The Moon haben Spaß an Pop und seinen Konventionen, aber auch genug Ideen, um sie mit Variationen und Leben zu füllen.

Ohne Kriegsbemalung: Walk The Moon spielen Anna Sun live bei Letterman:

httpv://www.youtube.com/watch?v=-Sp7eny8Dvg

Homepage von Walk The Moon.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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