Künstler | Xaver von Treyer |
Album | The Torino Scale |
Label | Supersoul Recordings |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | ** |
Für das richtige, wahre Erlebnis von The Torino Scale reicht eine CD allein nicht aus. Das erste Soloalbum von Xaver von Treyer (eigentlich Xaver Baudascher, bekannt als Gründer von Supersoul Recordings) entfaltet seine ganze Wirkung erst in Kombination mit den Bildern von Marek Polewski. Dessen Kunstwerke sollen das Album begleiten, wenn es live gespielt wird. „Wir wollten weder reine Musikvideos für jede Nummer noch reine Begleitbilder, die der Musik untergeordnet sind, herstellen. The Torino Scale sollte eher wie eine futuristische Oper sein, die sich moderner Technologie bedient, um die audiovisuelle Erfahrung zu erweitern“, erklärt Xaver von Treyer die Idee dahinter.
The Torino Scale (benannt nach der Skala, mit der die Schäden gemessen werden, die Asteroiden oder andere Objekte aus dem All bei ihrem Einschlag auf der Erde hinterlassen könnten) ist also eigentlich gar nicht so sehr als Album, sondern eher als Installation zu betrachten. Das ist aber auch das Problem an dem „kosmischen Pop“ von Xaver von Treyer. Denn für sich genommen ist die Platte zwar immer interessant, aber niemals zwingend, packend oder gar eingängig.
Mit Electric Mist lässt es der Berliner zu Beginn ganz ambient-bedächtig angehen. We Are Alien wird dann dominiert von einem satten Bass, einem missmutigen Saxofon im Hintergrund und der Stimme Nadine Khouris. „We are alien“, singt die Londonerin immer wieder, und aus jeder Silbe macht sie gleich drei Töne.
Text ist sonst Mangelware auf The Torino Scale: In Spit From The Sun scheint eine Computerstimme erst die ganze Welt zu verfluchen und dann eine beeindruckende Armee von alten Synthesizern zum Krieg anzustacheln. Yuko Matsuyama erzählt in Lunar Rover angeblich auf japanisch die Geschichte eines im Wald umherirrenden Wolfes. Die Musik dazu klingt mit einer gepfiffenen Melodie und Tribal-Drums ein bisschen wie Young Folks mit einem Computervirus. Love Is A Drum hat einen cleveren Eighties-Sound im Stile von The Human League. Tatsächlich singen dann auch ein Mann (Wolfram, Produzent aus Wien) und eine Frau (Jayney Klimek, The Other Ones) gemeinsam. Aber ihre Stimmen klingen nicht nur verkleidet, sondern förmlich entstellt.
Auch sonst gibt es elektronische Klänge in ziemlich vielen Spielarten, und in jeder Sekunde hört man The Torino Scale an, dass hier ein großes Konzept dahinter steht. Jerusalem Syndrom beginnt mit abgedämpften Gitarrentönen wie die Ankündigung von etwas Großem, belässt es dann aber dabei, bis nach drei Minuten ein desillusioniertes Cello (übrigens gespielt von Arthur Hornig, erster Cellist der Deutschen Staatsoper) erklingt. Ganz ähnlich funktioniert Lex Parsimoniae. Der Song ist quasi die Phase eines House-Tracks, die zum erlösenden Wumms hinführen soll – aber diese Erlösung bleibt aus.
Solar Fire klingt, als hätte jemand einen Ebay-Shop für antike Keyboards auf Autopilot gestellt. She Is My Virgo Supercluster (ganz richtig: Platten, auf denen es solche Songtitel gibt, bringen es auch locker mit nur elf Tracks auf 66 Minuten) vereint eine The-Doors-Gitarre mit einem Didgeridoo, am Ende gibt es im Titelsong zarte (geht das denn?) Industrial-Anleihen.
Wer Brian Eno vergöttert oder unlängst das ganz ähnlich gelagerte Konzeptalbum von S. A. Andrée geliebt hat, der wird mit Xaver von Treyer viel Freude haben. Alle anderen brauchen mindestens noch ein bisschen ergänzenden Augenschmaus, um aus The Torino Scale ein Vergnügen zu machen.
Na also, da ist sie doch, die visuelle Ergänzung: Das offizielle Video zu Lunar Rover:
httpv://www.youtube.com/watch?v=SsstRJg76yw