Hingehört: Yelle – „Safari Disco Club“

Der "Safari Disco Club" kommt aus Frankreich - gründet aber auch ein paar Kolonien.
Der „Safari Disco Club“ kommt aus Frankreich – gründet aber auch ein paar Kolonien.
Künstler Yelle
Album Safari Disco Club
Label V2
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung ***

Ich gebe zu: Einfallsreich ist das nicht. Die Nationalität als Kriterium der Einordnung? Das hat zur Folge, dass man in Deutschland als Politiker immer mit Hitler, als Fußballer immer mit Beckenbauer und als Musiker immer mit Kraftwerk verglichen wird. Bei unseren lieben Nachbarn ist das ganz ähnlich. Napoleon, Platini und, ähm, Serge Gainsbourg heißen dort die Bezugspunkte.

Yelle machen es aber auch alles andere als einfach, über die Tatsache hinwegzusehen, dass sie aus Frankreich kommen. Yelle haben all den Charme, all die Leichtigkeit und Eleganz, die man mit den Franzosen nun einmal verbindet. Sie singen auf Französisch. Und sie wandeln in den Fußstapfen französischer Vorbilder.

„J’aime mon pays“, singt Yelle (die eigentlich Julie Budet heißt) dann auch noch mit ihrer Schulmädchenstimme in Mon Pays. Sie fügt aber sogleich hinzu: „mais j’adore le tient“. Diese Zeile bringt das Wesen von Safari Disco Club, dem zweiten Album von Yelle nach dem Durchbruch mit dem Clubhit Je Veux Te Voir und dem 2007er Debüt Pop Up vielleicht am besten auf den Punkt: Ich liebe mein Land, aber ich bewundere das Deine.

Es gibt hier all das, was die Franzosen eben mitbringen und was der Rest der Welt an ihnen schätzt. Aber wo das zu eindimensional wird, erobern Yelle mit ihrem Safari Disco Club flugs andere Länder, Einflüsse und Sounds. Die klasse Single La Musique entstand mithilfe des Berliner Produzenten Moritz Friedrich, besser bekannt als Siriusmo. Kurz vor Schluss des Albums macht Unillusion mit seinem Beinahe-House einen Ausflug nach Chicago. Das erwähnte Mon Pays wird zwar von fiesen New-Wave-Synthies dominiert, offenbart bei genauerem Hinhören aber einen fast karibischen Rhythmus. Und der Titelsong gleich zum Anfang könnte mit seiner verspielten Ausgelassenheit auch ins Repertoire von CSS passen, die bekanntlich aus Brasilien kommen.

Der Rest von Safari Disco Club könnte auch durchweg „Vive La France“ heißen. Que Veux Tu? ist so unverschämt Pop, dass es dem Katalog von Alizee (oder Katy Perry, für die Yelle schon einen Remix gemacht haben) entsprungen zu sein scheint. Im Hintergrund des aufmüpfigen C’est pas une vie wird fleißig „ooh la la la“ gesungen. Das verspielte Chimie Physique erinnert an die Leichtigkeit und Anzüglichkeit der Teenagers, Comme Un Enfant ist tatsächlich infantil – und beschwört schamlos eine Renaissance des Eurodance herauf.

Le Grand Saut hätte gut auf Moon Safari gepasst, also in die Zeit, als Air noch bewusst niedlich sein wollten. Das ausgelassene J’ai bu zeigt, wie es klingen könnte, wenn Robyn (die schon einmal ein Stück von Yelle gecovert hat) ihren Kummer in Rotwein ertränken würde statt in Volksöl.

„Die Grundidee für das Album war, dass man gleichzeitig tanzen und weinen sollte“, erklärt GrandMarnier, der hier gemeinsam mit seinem Kollaborateur Tepr die Beats beigesteuert hat, das Grundprinzip von Safari Disco Club. Mit echtem Namen heißt GrandMarnier übrigens Jean-Francois Perrier. Französischer geht es ja wohl wirklich nicht mehr.

Clip officiel – das macht doch gleich viel mehr her als ein schnödes „Das Video zu La Musique„:

httpv://www.youtube.com/watch?v=f3jRjm6NOv0

Yelle bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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