Musikalische Zivilcourage: Das ist der Ansatz für "Between Places".

Young Dreams – „Between Places“

Künstler*in Young Dreams

Musikalische Zivilcourage: Das ist der Ansatz für "Between Places".
Musikalische Zivilcourage: Das ist der Ansatz für „Between Places“.
Album Between Places
Label Modular
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Man könnte eine Menge Geld verdienen mit folgendem Spiel: Man spielt irgendjemanden Between Places vor, das Debütalbum von Young Dreams. Dann muss dieser jemand raten, aus welchem Land die Band kommt. Schafft er es innerhalb von fünf Versuchen, bekommt er 20 Euro. Liegt er falsch, muss er für jeden falschen Tipp einen Euro bezahlen.

Bei derzeit 193 offiziell anerkannten Staaten auf der Erde ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass man dabei einen hohen zweistelligen Betrag absahnen kann. Denn Between Places klingt nach Sommer, Urlaub, Strand. Young Dreams kommen aber aus Bergen in Norwegen.

Vieles andere, was diese Band ausmacht, hört man Between Places aber durchaus an. Erstens ist da das Kollektiv-Prinzip. Young Dreams sind im engeren Sinne Matias Tellez und Rune Vanderskog, im weiteren Sinne sind sie ein Sextett, und im noch weiteren Sinne kommt noch eine Horde weiterer Musiker dazu, die in irgendeiner Form an diesem Album beteiligt waren.

Das führt zum zweiten Punkt: der Entstehungsgeschichte. Im Jahr 2009 beschloss Matias Tellez, ein Tonstudio zu bauen, um seiner Kreativität freien Lauf lassen zu können und auch „anderen Künstlern, die auch wenig Geld haben, die Möglichkeit zu geben, ihre Songs aufzunehmen ohne pleite zu gehen“.

Als das Studio fertig war, kamen ständig neue Musiker vorbei, und jeder trug einen Teil zu Between Places bei. „Ich fragte Rune, ob er auf einem neuen Track singen wollte, an dem ich gearbeitet hatte, und der unter dem Arbeitstitel Young 1 lief und später Flight 376 genannt wurde. Ich fragte einen der Kneipenbesitzer, einen Waliser, der David hieß, ob er mir mit dem Text helfen wolle und so kam es, dass wir uns zu dritt hinsetzten und an dem Titel schrieben. Wir nahmen den Text auf und schon bald hörten die Menschen davon. Bald kamen immer mehr Interessierte, die ihren Teil zu dem Projekt beitragen wollten“, erinnert sich Matias Tellez.

Damit ist der dritte Punkt erreicht, der bei Between Places offensichtlich ist: Diese Lieder hätten niemals auf der Bettkante im Schlafzimmer oder in einem dunklen Proberaum entstehen können, sondern nur im Studio. Die Musik der Young Dreams ist so komplex und ausgereift, dass hier ganz eindeutig Tüftler und Könner am Werk sein müssen.

Schon der Opener Footprints ist ein Song wie ein Sack Flöhe: Großspurige Drums treffen auf eine Beach-Boys-Melodie, vertrackte Rhythmen à la Debo Band oder Vampire Weekend, am Ende auch noch Streicher. Auch im folgenden Wounded Hearts sprudeln reichlich Ideen. Der Track scheint gleichzeitig vorwärts und rückwärts zu laufen, so komplex sie Beats, verfremdete Instrumente und superbe Harmonies miteinander verwoben.

In First Days Of Something wollen sich Gitarre und Gesang offensichtlich gegenseitig in Sommerlichkeit überbieten. When Kisses Are Salty könnte gut in einem Werbespot für Hängematten eingesetzt werden. The Girl That Taught Me To Drink And Fight wird ein beinahe elfminütiges Epos, weitgehend instrumental und durchweg meisterhaft.

Wenn es Young Dreams mal ein wenig konventioneller angehen lassen, erinnern sie ein wenig an Friendly Fires (Dream Alone, Wake Together) oder wirken wie Foals auf Helium (Through The Turnstiles, das am Beginn sogar ein Zitat aus Mozarts Requiem integriert). Das Beste dabei ist, dass alle Lieder trotz des Prinzips Überfluss niemals abgehoben daherkommen, sondern sich eine wunderbare Wärme bewahren. Das liegt offensichtlich am Anspruch der Gruppe, den Matias Tellez als so etwas wie musikalische Zivilcourage formuliert: „Die Idee war einfach nur, wunderschöne und ehrliche Musik zu komponieren. Es war eine Art Reaktion auf die ganze oberflächliche Musik mit falschen Absichten, die der breiten Masse hauptsächlich bekannt ist. Das ist etwas, was wehtat. Es ist wie einfach dabei zuzusehen, wir jemand verprügelt wird und nichts dagegen zu tun. Das ist einfach falsch.“

Ganz am Schluss, im vergleichsweise kompakten Young Dreams gelingt das am besten. Vom Frühling wird da gesungen, mit etwas Eighties-Flair, famoser Leichtigkeit und Percussions, die wie die Vertonung von purem Sonnenschein klingen. Ganz verwunderlich ist das dann doch nicht: Immerhin innerhalb Norwegens liegt Bergen ziemlich weit im Süden.

Wer sind Young Dreams? Die Antwort in knapp zehn Minuten:

httpv://www.youtube.com/watch?v=tzZdW9grghA

Homepage von Young Dreams.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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