Künstler | Young Man |
Album | Vol. 1 |
Label | Tom’s Apple Records |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | ** |
Kann man von Bescheidenheit erschlagen werden? Bei Young Man muss man diesen Verdacht haben. Singer-Songwriter Colin Caulfield, der hinter diesem Projekt steht, hat sich dafür den anonymsten denkbaren Künstlernamen gesucht, sein Debütalbum schlicht „Vol. 1“ genannt und sich dann auch nur gewagt, gerade einmal neun Titel darauf zu packen, deren Songtitel bis auf eine Ausnahme auch durchweg aus bloß einem Wort bestehen.
Das ist durchaus repräsentativ für seine Musik. Zurückhaltung ist Programm bei Young Man. Der Opener Heading braucht ganz lange, bis er überhaupt zu hören ist, Wandering ist bloß ein verhuschtes Instrumental, Wasted klingt wie Hot Chip, wenn die vor lauter Tagträumerei auch noch den Beat vergessen hätten.
Colin Caulfield singt dazu mit seiner Stimme, die an Art Garfunkel denken lässt, und die Mitwirkung seiner Band (Emmett Conway an der Gitarre, Joe Bailey am Bass, Dylan Andrews am Schlagzeug und Jeff Graupner am Synthesizer) ist fast gar nicht zu bemerken. Schon eher wirkt sich die Beteiligung von Produzent John McEntire (Tortoise, Stereolab) aus, unter dessen Regie Vol.1 im Soma-Studio in Chicago entstand. “I had a very good idea of what each song should sound like in my head before we went to the studio”, erzählt Caulfield. “They came out sounding different than I thought they were going to, but a lot of the album is about being happy with that. We almost called the album Damon & Division, which are the cross streets where Soma is, because the studio itself was such an important instrument on this record.”
Vol. 1 hat gute Melodien zu bieten und viel Komplexität, was auf Dauer durchaus einen gewissen Reiz entfaltet. Progressive Rock nennt Caulfield als wichtigen Einfluss für Young Man, aber auch für Popmusik habe er sich mittlerweile geöffnet. „I resented that music for so long, for some reason. I don’t think it’s negative anymore to write a good hook and have it repeat. For the longest time I wanted to make music that had parts that moved in and out, that didn’t follow standard pop conventions. I guess I finally realized it’s cool to do both.”
Das alles dominierende Merkmal von Vol. 1 bleibt aber seine Schüchternheit. Ausgerechnet der kraftvollste Track zeigt das am besten: Fate klingt im Kontext des Albums beinahe entfesselt, am Ende geradezu monströs. Eigentlich ist es aber ein dezenter Song mit ein bisschen Rock-Instrumentarium. Auch das hübsche Directions ganz am Ende geht in diese Richtung, das die Atmosphäre von Air nachahmt, minus der elektronischen Gene.
Auf Dauer ist so viel Anti-Swagger aber schwer zu ertragen. „Sometimes I wonder why I’m feeling kind of down“, singt Caulfield in Thoughts, die Musik dazu klingt aber eher wie die Abwesenheit von Gedanken: Das ist der letzte Tanz des Abends, der schon in den Traum danach übergeht. „It’s my fault / and everybody knows“, klagt sich Caulfield im reduzierten By And By selbst an, „I just don’t know what life is“, lamentiert er gar in Do, das beinahe verschwindet, bevor es wenigstens noch mal ein bisschen Fahrt aufnimmt. „I’m a crying shame“ heißt dann als Krönung die Selbsterkenntnis im epischen, vom Klavier getragenen 21.
Young Man versteht der Sänger als einen Spiegel für die Jugend an sich. “The whole project more or less portrays the trajectory of a young musician, first starting out, making mistakes, then growing up”, erklärt er den Hintergrund. Das muss man zumindest zum Teil bedenklich finden: Wenn alle jungen Männer so wären wie diese Musik, dann gäbe es keinen Krieg mehr. Aber auch keine Fortpflanzung.
Natürlich anständig, unaffektiert und zurückhaltend ist das Video zu Fate:
httpv://www.youtube.com/watch?v=H2fouCcT75M