Künstler | Zoot Woman | |
Album | Living In A Magazine | |
Label | Wall Of Sound | |
Erscheinungsjahr | 2001 | |
Bewertung |
Zum besten Album der Nullerjahre hat der NME gerade This Is It von den Strokes gewählt. Keine schlechte Wahl. Trotzdem zeigte die Liste der Top50 wieder einmal eine Schwäche, die solchen Rückblicken oft angekreidet werden muss: „Gut“ wird durch „wichtig“ ersetzt.
Es geht in solchen Bestenlisten plötzlich nicht mehr darum, ob eine Platte zum Zeitpunkt des Erscheinens Spaß gemacht hat, aufregend war oder einfach großartige Songs bot. Es geht im Rückblick immer auch darum, wie sich die Sache entwickelt hat, wie die Songs gealtert sind, welches Feedback es für eine Platte gab.
Rechnet man diese Effekte mit ein, dann ist es ein fatales Versäumnis, dass Living In A Magazine unter den Top 50 des NME nicht auftaucht. Denn das Debütalbum von Zoot Woman, erschienen fast genau zu dem Zeitpunkt, als die Strokes ihre The Modern Age-EP in den Staaten auf den Markt brachten, ist nicht nur gut. Sondern auch wichtig.
Zoot Woman schaffen es hier, das schon 2001 oft vorhergesagte, aber bis dahin doch nie eingetretene Eighties-Revival tatsächlich loszutreten. Was damals bei einigen Kritikern noch für Verwirrung und Verstimmung sorgte, wirkt im Rückblick höchst innovativ und sogar futuristisch.
„Der schwärmerisch verklärte Blick auf den Mainstream der Achtziger ist das Anliegen des Trios Zoot Woman“, schrieb der Rolling Stone damals. Man ahnt förmlich, wie viel Ekel dahintersteckt, wenn von „kühler Eleganz und verführerischer Glätte“ oder „vollkommen keimfreiem 80er-Jahre-Pop“ die Rede ist. Oder wenn es der Rezensent als Kompliment meint, dass hinter all diesen Synthies vielleicht „ein neuer Elliott Smith oder Ben Folds“ versteckt sein könnte (wohl gnädig gestimmt vom wunderhübschen Losing Sight, das nur mit Gesang und akustischer Gitarre daherkommt).
So viel Missverständnis war selten. Denn mit dieser Sound, der sich zweifellos auf Human League (etwa im leicht sphärischen Nobody Knows) oder die Pet Shop Boys (der perfekte Pop von Information First) und Kraftwerk (The Model wird hier nicht gecovert, sondern quasi angebaggert) bezieht, war niemals rückwärts gerichtet. Es geht hier darum, die Möglichkeiten von totaler Ästhetik auszuloten. Pop mit sich selbst zu potenzieren – und folglich auf Werte wie Handwerk oder Authentizität zu scheißen. Die Biographie völlig hinter dem Künstler verschwinden zu lassen.
Wie konsequent dieses Ziel umgesetzt wird, zeigt auch die Homepage der Band: Die Anfänge von Zoot Woman, die ursprünglich als Intrumental-Projekt gedacht waren, tauchen dort nirgends auf. Das Gleiche gilt für die früheren Projekte von Mastermind Stuart Price, die immerhin Remixe für Beck oder Placebo und das hoch gelobte Projekt Les Rhythmes Digitales umfassen.
Es geht auch auf Living In A Magazine nur um Zoot Woman, als Sound, als Konzept, als Produkt. „Unser Publikum soll in jeder Hinsicht gutes Design geboten bekommen“, hat Stuart Price schon damals versprochen.
Das beginnt im famosen It’s Automatic, das es fertig bringt, eine energische Kuhglocke mit einer unantastbaren Entspanntheit zu vereinen – und zudem einen Videoclip hatte, in den ich mich sofort verliebt habe. Das Video zum deutlich zackigeren (und ebenso gelungenen) Titelsong muss für die erwähnten Rolling Stone-Kritiker wohl augenkrebsgefährdend gewesen sein: So sehr nach Eighties (und so todschick) sahen nicht einmal Duran Duran zu ihren extrovertiertesten Zeiten aus.
Dass die Verpackung hier essentiell wird und es eben genau darum geht, nicht hinter die Oberfläche zu kommen, zeigen auch die Texte, die eher BBDO nacheifern als Bob Dylan.
Wie einflussreich das alles war, konnte damals noch keiner ahnen (außer Madonna, die Stuart Price nach diesem Album zu ihrem Kapellmeister und zeitweiligen Co-Autor machte). Selbst der NME, der Zoot Woman noch 2003 als uninspiriertes Hall & Oates-Plagiat abtat, war blind für die Wirkungsmacht dieses Sounds. Erst im jüngsten Zoot-Woman-Album Things Are What They Used To Be erkannte er „a masterclass in modern electronic music, finessed by innovation and emotional depth“. Dieses Urteil trifft genauso auf Living In A Magazine zu. Deshalb gehört diese Platte definitiv zu den 50 wichtigsten zwischen 2000 und 2009. Ohne Zoot Woman wären Electroclash oder der Mega-Erfolg des Produzententeams Xenomania unmöglich gewesen. Genauso wie La Roux, die Ting Tings, Klaxons, die Killers und Lady Gaga.
So sehr Achtziger waren nicht einmal Duran Duran: Der Clip zur Single Living In A Magazine:
httpv://www.youtube.com/watch?v=JMzWBP8MDDk
3 Gedanken zu “Zoot Woman – „Living In A Magazine“”