Künstler*in | Hiss Golden Messenger | |
Album | Quietly Blowing It | |
Label | Merge Records | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung | Foto oben: (C) Cargo Records |
Gerade hat die Recording Academy angekündigt, diverser werden zu wollen. Die Vereinigung, die für die Vergabe der Grammys zuständig ist, sah sich zuletzt – genau wie die Academy, die den Oscar verleiht – mit dem Vorwurf konfrontiert, zu weiß, zu alt und zu männlich zu sein. Für den weltweit wichtigsten Musikpreis sind derzeit etwa 13.000 Mitglieder der Recording Academy wahlberechtigt, die in einem mehrstufigen Prozess die späteren Preisträger*innen küren. Bei der Berufung neuer Mitglieder will man nun stärker auf bisher unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen achten, heißt es.
Dass derzeit in der Kategorie „Best Americana Album“ auch Terms Of Surrender im Rennen ist, das 2019 erschienene Werk von Hiss Golden Messenger, überrascht dann doch ein wenig. Natürlich bietet das 2007 gegründete Projekt von Songwriter M.C. Taylor stets qualitativ hochwertige Platten, die solch eine Aufmerksamkeit mehr als verdient haben. Man darf aber davon ausgehen, dass die Jury so viel Diversität dann vielleicht doch nicht anstrebte. Denn wie sich nun zeigt, hat sie einen Künstler in die engere Auswahl genommen, der auf dem folgenden Album quasi (zumindest aus amerikanischer Perspektive) linksradikale Texte singen würde. Solche finden sich nämlich immer wieder auf Quietly Blowing It.
Der Auftakt Way Back In The Way Back enthält beispielsweise nicht nur das Versprechen „We’ll be fine in the morning“, sondern auch den Imperativ (vielleicht aus der eigenen Vergangenheit, die hier erinnert wird) „Down with the system that keeps us in check!“ Solch einen Slogan könnte man sich auch von Rage Against The Machine oder Run The Jewels vorstellen. Aber natürlich gibt es bei Hiss Golden Messenger keinen Crossover-Krawall und keinen Avantgarde-HipHop, sondern (in diesem Lied wie auf dem ganzen Album) einen Sound, der sehr gelassen und ganz bei sich ist. Im Falle von Way Back In The Way Back gesellen sich nach einem reduzierten Beginn dabei immerhin noch Bläser, Backgroundgesang und Schlagzeug hinzu.
„Let me tell you all about it / poor man loses and the rich man wins“, geht die Agitation in Mighty Dollar weiter, das sich ziemlich genau in der Mitte zwischen Blues und Funk platziert. In der programmatisch benannten Hardlytown kann man Erfahrungen wie „breaking your back like a slave“ und „work like hell“ machen, die Musik dazu hat passenderweise etwas mehr Tempo und Punch als im Rest des Albums, so dass man sich diesen Song auch von Tom Petty vorstellen könnte. „Trying to find a job“, lautet eine der Aufgaben in Glory Strums (Loneliness Of The Long-Distance Runner), wobei die in Klammern versteckte Einsamkeit vor allem aus der Mundharmonika zu sprechen scheint.
„Rich man cries like a crocodile“, lautet ein Vorwurf in der erstaunlich groovigen Single Sanctuary. Der Titelsong Quietly Blowing It wird zwar von den Zeilen „What you’ve done to me / I’ve done to you“ eröffnet (die eher für Reue zu sorgen scheinen als für Genugtuung), später erkennt M.C. Taylor aber auch hier „The shape of things / don’t look so good / on the TV / there’s a riot going on.“
Diese Aufgewühltheit in den Texten bildet einen reizvollen Kontrast zum tiefenentspannten Sound von Hiss Golden Messenger (der Albumtitel ist eine perfekte Entsprechung dafür). Typisch für dieses Werk ist die Kombination aus Demut und Klasse wie in If It Comes In The Morning oder aus Wärme und Weisheit wie in Painting Houses, das ein betörendes Arrangement entfaltet und von Taylor gemeinsam mit Gregory Alan Isakov geschrieben wurde. Als weitere Gäste sind Griffin und Taylor Goldsmith (Dawes), Zach Williams (The Lone Bellow), Gitarrist Buddy Miller und Josh Kaufman (Bonny Light Horseman) auf Quietly Blowing It zu hören. Ein Höhepunkt ist The Great Mystifier, auch weil es robust ist und bei Bedarf sogar tanzbar wäre (und ein Gitarrensolo enthält, das von Steve Miller stammen könnte). Als prototypisch für das Album kann man auch It Will If We Let It ansehen: Alles wirkt sowohl lässig als auch vielschichtig, sowohl intuitiv als auch ausgereift.
„Es fühlt sich wie das persönlichste Album an, das ich gemacht habe, weil ich nicht versuche, irgendjemandem etwas zu erklären, außer mir selbst“, sagt Taylor über Quietly Blowing It. Trotzdem ist es ein hoch politisches Album, wie nicht nur der Essay Mourning In America beweist, den der Künstler parallel zu dieser Platte veröffentlicht. Er singt über ein Land im Niedergang, das nicht nur seine wirtschaftliche Stärke verliert, sondern zunehmend auch seinen Zusammenhalt und seine Identität.