Künstler*in | Homeshake | |
Album | Under The Weather | |
Label | Shhhoamkee Records | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Offensichtlich kann es auch in einer tiefen Lebenskrise so etwas wie Glück im Unglück und perfektes Timing geben. Peter Sagar, der Mann hinter Homeshake, ist der lebende Beweis. Er hat mit Under The Weather, seinem fünften Album, die perfekte Corona-Platte gemacht, obwohl die Pandemie überhaupt nichts mit der Entstehung zu tun hatte. Denn die Lieder sind durchweg schon 2019 entstanden. „Ich steckte in einer tiefen, tiefen Depression“, erzählt der kanadische Künstler rückblickend. „Auf Tour zu sein, hatte mich gebrochen. Es war furchtbar, ein bisschen wie ein dunkler Abgrund. Davon handelt das ganze Album.“
Dass seine Lieder über Einsamkeit und Traurigkeit, das Gefühl von Isolation und Verunsicherung nun wie gemacht sind für diese Zeiten, hat er natürlich längst bemerkt. „Die Leute werden wahrscheinlich denken, dass ich Under The Weather während oder über Covid geschrieben habe. Aber ich habe einfach schon vorher so gelebt. Ich habe mein ganzes Leben lang darüber geschrieben, dass ich mich isoliert fühle“, betont der Mann, der vor seiner 2014 begonnenen Karriere als Homeshake in der Liveband von Mac Demarco gespielt hat, dessen Ästhetik man auch hier immer wieder finden kann. „Ich hatte eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie das Album sein würde. Es sollte darauf gründen, wo ich zu der Zeit emotional stand. Ich versuche schließlich, Musik zu machen, die ehrlich beschreibt, wie ich mich fühle.“
Dass Musik, die von der Ereignislosigkeit handelt und dafür eine authentische klangliche Entsprechung finden möchte, schnell langweilig werden kann, ist dabei keine geringe Gefahr. Ein Lied wie I Know I Know I Know zeigt das mit Zeilen wie „Every day I try to sleep / every day I wake up“ und einem Sound, der tatsächlich kurz vor dem Einschlafen zu sein scheint. Under The Weather bietet inmitten seiner beschaulichen, trübsinnigen Grundstimmung aber glücklicherweise genug interessante Details: Vacuum wird fast ein bisschen funky, Careful setzt auf Stimmeffekte und Samples aus einem Telefongespräch, Spend It verschleppt am Ende das Tempo so sehr, dass es fast im Dub landet, das instrumentale Half Asleep After The Movies baut atonale Elemente ein und in Passenger Seat will irgendetwas (wahrscheinlich der Bass) dann doch nicht ätherisch sein.
Großen Anteil daran, dass bei Homeshake wieder jeder Ton wohl gesetzt ist, hat Lucas Nathan, mit dem Sagar die Platte produziert hat. „Mir war gar nicht klar, wie sehr ich es vermisst habe, ein zweites Paar Ohren zu haben. Das ist ziemlich unbezahlbar“, sagt Sagar, der auf dem Vorgänger Helium noch ganz alleine gearbeitet hatte. „Es gibt eine Menge Dinge, die Lucas gemacht hat, die ich wahrscheinlich nie probiert hätte. Ich neige dazu, viele Dinge abzumildern, alles super bassig und sanft zu machen. Lucas war sich darüber im Klaren, dass man manchmal ein wenig Punch und Härte braucht.“
Man hört das etwa in Mindless, das zart bleibt, aber etwas voller im Sound wird, oder im auf seltsame Weise einnehmenden Inaminit, in dem es um abgesagte Pläne geht und um die Versuchung, einfach nicht zu Verabredungen aufzutauchen, weil man sich nicht gut fühlt und keine Lust hat, das kaschieren zu müssen. Ein Highlight ist auch der Auftakt Feel Better: Die Ausgangslage ist hoffnungslos („Feel better when it’s colder“, singt Sagar, wahrscheinlich weil das Wetter dann zur Stimmung passt), aber in seiner Stimme steckt auch Trost. Den Album-Abschluss Tenterhooks könnte man dann fast für vollendeten Kuschel-RnB halten, wenn man nicht auf den Text mit Zeilen wie “Feel myself drying up / feel myself turn into dust” hörte. Sagar hat es geschafft, solche Ängste von der eigenen Auslöschung und Bedeutungslosigkeit zu verarbeiten und zu überwinden. „Wenn man richtig düster drauf ist, wird ja oft empfohlen, ein Tagebuch zu schreiben, damit man den Druck abbauen kann“, weiß er. „Bei mir hat immer die Musik als Ventil dafür gedient.“