Künstler*in | IDER | |
Album | Emotional Education | |
Label | Glassnote | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Nicht warten, sondern machen. Diesen Satz kann man getrost als Motto von Megan Marwick und Lily Somerville betrachten, die zusammen im Norden Londons wohnen und seit sechs Jahren als IDER gemeinsam Musik machen. Wenn sie sich zum Beispiel die Frage nach der überall zu beobachtenden fehlenden emotionalen Reife stellen, dann liefern sie die Antwort einfach in Form ihres Debütalbums. Zugleich wurde die Titelzeile, die aus dem Song Saddest Generation stammt, zu einem typischen Moment der ganz besonderen Verbindung zwischen diesen beiden Multiinstrumentalistinnen. „Den Song hatte ich schon länger fertig“, erzählt Megan. „Aber dann baute Lily diese Textzeile ein: ‘Where’s the emotional education we’re all looking for?’ Das war ein Moment, in dem der Groschen gefallen ist. Das ist ein wunderbares Beispiel für unsere Arbeitsweise, diese Partnerschaft, in der alles verwoben ist.“ Lily erläutert ihren lyrischen Einfall indes gerne auch noch einmal selbst: “Emotional Education ist das, was wir einander geben. Und das, was wir dir mit diesem Album geben werden.”
In der Tat sind die elf Songs dieser Platte nicht nur extrem gut und eigenständig, sondern zeugen auch immer von einem sehr klugen Blick auf die Welt und unser Miteinander. Mirror zeigt gleich zum Start den Weg vom Selbstzweifel zur Selbsterkenntnis und erinnert an Selbstverständlichkeiten, derer man sich manchmal wieder vergewissern muss. Der Sound ist kraftvoll und sensibel, mit einer ganz einfachen Orgel, sehr modernen Beats und aufgewühltem Gesang. Später setzen IDER auf asiatische Elemente (Brown Sugar), eine Kombination aus originellem Sprechgesang in der Strophe und einem durchaus hymnischen Refrain (Invincible) oder kommen reduziert und stellenweise fast acappella daher (Body Love).
In jedem Moment von Emotional Education merkt man das tiefe Vertrauen und den intuitiven Austausch innerhalb dieses Duos. „Es ist so seltsam, wir sind nicht zusammen, wir sind nicht verwandt, aber wir sind wie beste Freunde, Seelenverwandte. Was ist das?!“, staunt Megan selbst über diese Beziehung, wissend um deren besonderes Ergebnis: „Wenn wir zusammen singen, dann entsteht eine neue Stimme.“ Das lässt sich in Clinging To The Weekend gut beobachten: Der Track zeigt Verletzlichkeit und Sehnsucht, wobei beides auf Gegenseitigkeit beruht. SWIM klingt ein bisschen tropisch, aber das Medium, in dem IDER hier planschen, ist kein Ozean in einer hübschen Bucht, vielmehr heißt es „I swim in fire.“ Wu Baby ist enorm cool und selbstbewusst – genau deshalb klingt das Angebot „I can be your girlfriend“ auch nicht anbiedernd und die Frage „Won’t you come and fall off the edge with me“ so verlockend. Slide beschließt das Album zwischen Brodeln und Besänftigung, wird gleichzeitig verspielt und wirkungsvoll.
Referenzen sind bei einer so individuellen Herangehensweise schwierig, aber nicht ganz unmöglich zu benennen. Busy Being A Rockstar würde nicht nur wegen der überraschenden Bläser zu Lily Allen passen. You’ve Got Your Whole Life Ahead Of You Baby ist so sensibel und elegant, dass man an eine wehmütige Beyonce oder reflektierte Sugababes denken könnte. Das schon erwähnte Saddest Generation zeigt, wie Lana Del Rey mit Lust auf dezente Beats klingen könnte, Auch der Verweis auf die fatale Kombination „Your brain is sick / and your eyes are blue“ im Text passt gut zu diesem Vergleich.
„Niemand sonst hätte diese Lieder machen können“, stellt Megan allerdings klar. „Wir hätten diese Platte nicht schreiben und so tief gehen können und sie Emotional Education nennen können, wenn wir nicht die Beziehung hätten, die wir haben. Denn unsere Freundschaft und unser einzigartiges Ding ist der Kern von allem. Das ist der ganze Sinn der Musik.“