Imperium Review Filmkritik

Imperium

Film Imperium

Imperium Review Filmkritik
Nate (Daniel Radcliffe) gibt sich als Neonazi aus.
Produktionsland USA
Jahr 2016
Spielzeit 109 Minuten
Regie Daniel Ragussis
Hauptdarsteller*innen Daniel Radcliffe, Toni Collette, Chris Sullivan
Bewertung

Worum geht’s?

Nate ist Agent beim FBI, bringt dort aber eher seine intellektuelle Stärke, sein Einfühlungsvermögen und seine Sprachkenntnisse am Schreibtisch ein als seine Muskelkraft oder seinen Wagemut. Auch, weil er von vielen Kollegen deshalb nicht recht ernst genommen wird, träumt er von einem Einsatz mit mehr Action. Als bei einem Unfall radioaktives Material abhanden kommt, bietet sich ihm eine Chance. Die meisten FBI-Bosse vermuten islamische Terroristen aus Somalia dahinter, Nates Chefin Angela sieht allerdings stattdessen eine Spur ins rechtsradikale Milieu der USA. Sie befürchtet, dass Neonazis mit dem entwendeten Caesium eine schmutzige Bombe bauen wollen, und hält Nate für den geeigneten Kandidaten, um ihn in der Szene einzuschleusen. Er erhält eine Tarnung und gibt sich als verbitterter Ex-Elitesoldat aus, der im Irak auch Erfahrung mit ABC-Waffen gesammelt hat, zudem macht er sich mit dem faschistischen Gedankengut vertraut, auf das er treffen wird. Über einen V-Mann wird er dann in eine Neonazi-Gruppe eingeschleust, was sich schnell als lebensgefährliche Undercover-Mission erweist. Je mehr Nate allerdings das Vertrauen seiner neuen Umgebung gewinnen kann, desto mehr erfährt er über die Hintermänner der rechten Szene wie den Propagandisten Dallas Wolf, der seine Gefolgschaft über seinen Internet-Radiosender aufstachelt. Bald ist er sicher, dass er und Angela den richtigen Verdacht haben und die Neonazis das gestohlene Caesium verstecken. Allerdings kann er nicht sicher sein, ob sie sich damit bloß brüsten oder wirklich eine Gefahr darstellen und einen verheerenden Anschlag planen.

Das sagt shitesite:

Das größte Verdienst von Imperium ist es, einen Blick auf rechtsradikale Strukturen in den USA zu werfen. Ein Jahr, bevor Donald Trump unter anderem durch die Unterstützung und unter dem Beifall von White-Supremacy-Spinnern und Proud Boys zum US-Präsidenten wurde, wird hier gezeigt, wie tief verwurzelt rassistisches und faschistisches Gedankengut in der amerikanischen Gesellschaft ist, wie verschachtelt die Strukturen der Szene sind und wie vielfältig die Methoden, die von den Radikalen eingesetzt werden. Der Film beruht auf einer wahren Undercover-Recherche des Ex-FBI-Agenten Michael German, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat. Er zeigt die vielen konkurrierenden Organisationen von prügelnden Skins über religiös verblendete KKK-Mitglieder bis hin zu verbitterten Ultrakonservativen, ebenso wie die von ihnen genutzten Kommunikationswege von Mundpropaganda über Bücher bis hin zum Internet und die Macht von Verschwörungstheorien. Zudem wird hier eindrucksvoll nachgezeichnet, wie Radikalisierung ablaufen kann, und nicht zuletzt der Hinweis platziert, wie oft die Ermittlungsbehörden auf dem rechten Auge blind sind.

Das Problem ist, dass sich der Film zwischen diesem Anspruch einer Enthüllungsrecherche und einem Agententhriller verzettelt. Es gibt in Imperium ein ganzes Panoptikum an Klischee-Figuren, vom Waffennarr über den Kneipenschläger bis zum Intellektuellen, der Brahms liebt und die Neue Rechte anleitet. Das ist wohl notwendig, um in diesem Format die Bandbreite der rechten Szene zumindest anzureißen. Aber es führt eben auch dazu, dass keiner der Protagonisten die nötige Tiefe bekommt, und dass keine ausreichende Fallhöhe entsteht, weil kein echter Anti-Held aufgebaut wird, sondern Nate von einer Neonazi-Gruppe zur nächsten springt. Es ist typisch, dass das 1948 veröffentlichte Buch von Francis Parker Yockey, das dem Film seinen Namen gibt, nur ganz kurz im Bild ist, denn beim Blick auf rechte Ideologie(n) kratzt Imperium letztlich nur an der Oberfläche. Genauso inkonsequent ist das Verfolgen verschiedender Konflikte und Handlungsstränge im Plot. Viele davon lösen sich einfach in Luft auf, wenn Nate für einen neuen Kontakt wieder einmal die Mitwirkung in einer Gruppe abbricht und sich einer anderen Gruppe als Unterstützer andient – zumal das vom Drehbuch oft plump herbeigeführt wird und dem Publikum vor allem keinerlei Anhaltspunkte für die erzählte Zeit gegeben werden. So entsteht letztlich nicht der Eindruck von Eskalation (als würde er sich in seinem Einsatz von eher harmlosen zu maximal gefährlichen Neonazis vorarbeiten), sondern von Beliebigkeit.

Spannung erwächst in Imperium allenfalls aus der Frage, ob Nate enttarnt wird. Das notorische Misstrauen der rechtsradikalen Gruppen trägt dazu ebenso bei wie seine eigene Unerfahrenheit in Einsätzen dieser Art. Dass man hier nicht, wie so häufig in Thrillern, im Prinzip weiß, dass der Held überleben und sich durch seine Aktionen alles zum Guten wenden wird, sondern tatsächlich auch ein anderer Verlauf der Ereignisse möglich erscheint, ist ungewöhnlich und erfreulich. Es ist vor allem Daniel Radcliffe in der Hauptrolle zu verdanken, dass eine weitere Ebene von Spannung entsteht: Er schafft es, seinem Charakter eine sehr reizvolle Ambivalenz zu geben. Als etwas schüchterner, schmächtiger und von seiner beruflichen Position dezent frustrierter junger Mann wäre er nämlich in der Tat ein geeigneter Kandidat für Alt-Right-Verführungsversuche, und in einigen Momenten deutet Imperium an, dass er sich als Undercover-Agent mit dieser Ideologie vielleicht ein bisschen zu sehr anfreundet und die Nähe zu den einflussreichen Männern der Szene etwas zu sehr genießt. Aber auch dieser Verdacht verpufft letztlich bloß.

Das Hopping durch verschiedene Splittergruppen mit ihren jeweils eigenen Köpfen und ihrer jeweils eigenen Agenda steht nicht zuletzt der Möglichkeit im Weg, hier echte Beziehungen entstehen zu lassen, mit Nate zu bangen oder die anderen Protagonisten so gut kennen zu lernen, dass Emotionalität entstehen kann. So ist Imperium zwar vermeintlich aufrüttelnd, aber letztlich mutlos – und weit davon entfernt, so wuchtig, schockierend oder spannend zu sein wie das artverwandte American History X.

Bestes Zitat:

„Wir sehen, was wir sehen wollen. Aber immer, wenn wir etwas nicht sehen wollen, dann gibt es das trotzdem.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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