Die Experten der Baker-Kommission scheinen sich acht Monate lang nur eine einzige Frage gestellt zu haben. Ihre Vorschläge liefern jedenfalls keine überzeugende Strategie für die Lage im Irak, zeigen keine neuen Möglichkeiten zu einer Stabilisierung der Lage oder gar einer friedlichen und demokratischen Zukunft des Landes auf. Nur für ein Anliegen weist der Bericht einen klaren Weg: Wie kriegen wir am schnellsten unsere Jungs da raus?
Die Frage drängt nicht nur, weil weiteres Blutvergießen vermieden werden soll. Jeder US-Soldat, der die Heimreise im Blechsarg antritt, lässt das Ansehen von Präsident Bush noch weiter sinken. Nicht zuletzt droht die letzte verbliebene Supermacht bei weiteren Verlusten auch ihr Abschreckungspotenzial als Weltpolizist zu verspielen, was mit Blick auf potenzielle zukünftige Konfliktherde – Iran, Nordkorea – für die Durchsetzung von amerikanischen Interessen eine verheerende Wirkung haben könnte.
Die Baker-Kommission zog all dies wohl mit ins Kalkül. Was sie vorlegt, soll aussehen wie eine Exit-Strategie, bei der die USA ihr Gesicht wahren können. Doch was der Bericht wirklich zum Ausdruck bringt, ist die komplette Ratlosigkeit in Washington. Man ahnt dort sehr wohl, dass die Folgen des Krieges den gesamten Nahen Osten noch weiter destabilisieren könnten. Man ist sich bewusst, dass die Zivilbevölkerung im Irak mittlerweile wahrscheinlich mehr leidet als unter dem grausamen Regime von Saddam Hussein.
Dies mit mehr Diplomatie und mehr Eigenverantwortung für die Iraker lösen zu wollen, ist grundsätzlich der richtige Ansatz. Aber er kommt viel zu spät: Eine langfristig angelegte Strategie, die zivilen Aufbau mit einbezieht und die ganze Region im Blick hat – all dies hätte die US-Regierung von Anfang an haben können. Doch im Feuereifer des Kriegs gegen den Terror zählten solche Konzepte nicht viel. Bush wollte die Muskeln spielen lassen und die Scharte des ersten Irak-Feldzugs auswetzen. Er hat sich damit schnurstracks in die Sackgasse manövriert.
Es wäre feige, sich dort jetzt auf Kosten des Iraks hinauszustehlen und die Menschen ihrem Schicksal zu überlassen, als deren Befreier sich Bush gerne feiern lassen wollte. Eigenverantwortung und Wiederaufbau sind die richtigen Ideen. Aber beides lässt sich erst verwirklichen, wenn die Menschen im Zweistromland sicher leben können. Dafür stehen die USA in der Verantwortung, nachdem sie alle staatlichen Strukturen im Irak zerschlagen haben.