Dear English speaking readers! You can find an English version of this interview with Hugo White, guitar player in The Maccabees, here.
Es war ein gutes Jahr für die Maccabees. Given To The Wild, ihr drittes Album wurde von den Kritikern gefeiert, von den Fans fleißig gekauft (vor ein paar Tagen wurde Goldstatus im UK erreicht) und womöglich in der kommenden Woche sogar mit dem prestigeträchtigen Mercury Prize ausgezeichnet. Dazu kam Dauerpräsenz bei den Festivals, samt einiger unvergesslicher Momente. Beim Highfield habe ich mit Hugo White eine Zwischenbilanz gezogen. Der Maccabees-Gitarrist spricht über die Dynamik in der Band, ein Beinahe-Treffen mit Bob Dylan und die Frage, ob man neidisch wird, wenn einstige Wegbegleiter wie Florence & The Machine plötzlich zu Weltstars werden.
Hi, Hugo. Ihr habt vor drei Jahren schon einmal beim Highfield gespielt. Kannst du dich noch daran erinnern?
Hugo White: Ich weiß noch, dass ich mich hinter der Bühne hinlegen musste, weil es so unglaublich heiß war. Aber das ist so ziemlich das Einzige, woran ich mich erinnere. Wir haben jetzt bei so vielen Festivals gespielt, vor allem in diesem Sommer, dass sich die Eindrücke immer mehr vermischen.
Was war für dich der schönste Moment des Festivalsommers?
White: Der ganze Sommer war großartig, die ganzen großen Festivals. Viel besser, als wir uns das hätten erträumen können. Mein Highlight war der Auftritt beim Benicassim, denn da spielten wir direkt nach Bob Dylan, den ich sehr verehre. Normalerweise darf niemand auf die Bühne, wenn er spielt. Alles ist voller Security und es gibt keine Chance, irgendwie an ihn heranzukommen. Aber wir haben denen einfach erzählt, dass wir schon mal unser Equipment checken müssen, weil wir direkt nach ihm spielen. So konnten wir am Rand der Bühne stehen und von dort aus erleben, wie er Like A Rolling Stone spielt. Das war großartig.
Habt ihr ihn auch getroffen?
White: Nein. Ich glaube, das schafft keiner. Er schaut die Leute um sich herum nicht einmal an, und ich mag das. Er kommt nicht, um sich beliebt zu machen. Er kommt, um Musik zu machen, und er macht das nun einmal auf diese bestimmte Weise. Bewundernswert.
Konntest du wenigstens ein Souvenir einsacken? Irgendetwas, das er auf der Bühne vergessen hat?
White: Ja, ich habe ein Plektrum!
Ich schätze, das hat jetzt einen Ehrenplatz irgendwo in deinem Haus bekommen?
White: Naja, ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung mehr, wo es ist. Aber zum Glück habe ich noch ein Souvenir: Ein Freund von mir arbeitet als Gitarrenroadie unter anderem für Mumford & Sons. Und als die neulich mit Bob Dylan gespielt haben, bei den Grammy’s oder so, da hat er mir einen Aufkleber besorgt, der auf einem Gitarrenkoffer von Bob Dylan klebte. „Bob Dylan acoustic“ steht drauf, und das Ding hängt jetzt bei mir an der Wand.
Nach den Festivals steht eine Tour mit Florence & The Machine an. Ihr seid gut befreundet, oder?
White: Ja, wir kennen sie schon ziemlich lange, so wie einige andere aus dieser Szene auch, mit denen wir aufgewachsen sind. Es ist nicht so, dass wir die engsten Freunde wären, aber wir haben sie begleitet, gegenseitig die Shows besucht und so. Und jetzt sind wir immer noch in Kontakt. Mit Adele ist das ganz ähnlich: Wir kennen sie einfach aus unserer Gegend in London. Jetzt sind die beiden auf einmal Superstars. Florence spielt in Stadien, weltweit, das ist schon verrückt. Aber wir finden es natürlich entzückend, dass sie uns eingeladen hat, mit ihr die Tour durch Amerika zu machen.
Das macht den Eindruck, als seien die Maccabees eine sehr umgängliche Band. Ihr seid nach wie vor mit den Kumpels von früher befreundet und scheint auch innerhalb der Band sehr auf Miteinander und Demokratie zu achten.
White: Auf jeden Fall. So funktioniert unsere Band einfach, und sie könnte auch gar nicht anders funktionieren. Wir sind sehr dankbar dafür, wir bringen Verständnis für die anderen in der Band auf und Wertschätzung für die Rolle, die jeder Einzelne bei den Maccabees spielt. Das haben wir im Lauf der Zeit gelernt.
Bei der Arbeit im Studio herrscht aber normalerweise Druck und es müssen Entscheidungen getroffen werden. Wie schafft ihr es, da diese Harmonie zu bewahren?
White: Wir sind mittlerweile an einem Punkt, wo wir das sehr gut hinbekommen. Vor allem die Arbeit am letzten Album hat das gezeigt. Jeder hat für sich mit dem Komponieren angefangen, dann haben wir die Ideen zusammengetragen und entschieden, was uns davon gefällt. Das ist ein echter Gemeinschaftsprozess. Es bedeutet aber auch, dass man diplomatisch sein muss und wissen muss, wie man die Leute zu nehmen hat. In unserer Band braucht man unbedingt soziale Kompetenz.
Wie gehst du persönlich damit um? Es muss doch frustrierend sein, wenn du glaubst, gerade die tollste Melodie der Welt geschrieben zu haben, und die anderen sagen dir dann, dass sie ihnen nicht gefällt. Was machst du in solchen Momenten?
White: Wenn man stark genug an seine Idee glaubt, dann muss man dafür kämpfen. Und das ist wirklich hart. Es gibt auf Given To The Wild einige Elemente, die das persönliche Steckenpferd von einem von uns waren, und wir haben teilweise monatelang darüber diskutiert. Letztlich haben es diese Teile dann auf die Platte geschafft, und jetzt sind alle glücklich damit. Aber man muss bei solchen Debatten sehr genau darauf achten, in welcher Stimmung die anderen gerade sind. Das ist beinahe, als würde man ein Spiel spielen. Und man muss sich immer klar machen, dass letztlich alle nach dem bestmöglichen Ergebnis streben. Auch wenn man kritisiert wird, dann nur, weil es um das große Ganze geht. Und was am Ende dabei herauskommt, ist all diese Mühen wert.
Das klingt, als würdet ihr 80 Prozent eurer Zeit mit Diskussionen verbringen.
White: So arbeiten wir nun einmal. An Given To The Wild haben wir zwei Jahre lang gearbeitet, und in dieser Zeit haben wir genau zwölf Songs geschrieben. Nicht mehr. Es gibt Bands, die in zwei Jahren 50 Lieder schreiben. Aber bei uns schlüpft nichts durch das Netz, von dem wir nicht total überzeugt sind.
Wie liefen denn die Session für Given To The Wild konkret ab?
White: Der Sound ist bestimmt vom Entstehungsprozess der Platte. Wir haben ganz viel komponiert, ohne überhaupt an Gesang zu denken. Es war fast, als würden wir eher einen Soundtrack machen als einzelne Songs. Die Musik sollte auch ohne Gesang stark, kraftvoll und interessant genug sein. Am Anfang haben wir fast gar nicht als Band zusammengespielt, sondern alle unsere einzelnen kleinen Teile aufgenommen, in unserem eigenen Studio in London. Wir haben in dieser Phase auch die Rollen getauscht. Zum Beispiel habe ich Schlagzeugbeats programmiert, während unser Schlagzeuger Sam an Melodien gearbeitet hat. Ich mag das, weil man viel mehr Möglichkeiten hat. Man ist nicht auf die Rolle als Gitarrist beschränkt. Ich bin zwar ein Gitarrist, aber dieses Instrument soll nicht meine ganze Arbeitsweise definieren.
Ist es nicht seltsam, wenn dich der Schlagzeuger oder der Sänger plötzlich über das richtige Gitarrespielen belehren wollen? Wenn ihr die Rollen tauscht und jeder an allem beteiligt ist, muss das sicher für einen ziemlich großen Konkurrenzkampf in der Band sorgen.
White: Das stimmt, aber es ist ein positiver Konkurrenzkampf. Wir haben schon mit der Arbeit für das nächste Album angefangen, und da arbeiten wir wieder genauso. Jeder schreibt für sich selbst, nach ein paar Wochen spielt man die Ergebnisse dann den anderen vor. Es kommt zum Beispiel vor, dass Felix mit ein paar seiner Ideen vorstellt und ich dann denke: Verflucht, das ist echt gut. Dann gehe ich natürlich nach Hause und will unbedingt etwas hinbekommen, das genauso gut ist. So funktioniert das.
Wie ist es um den Konkurrenzkampf mit anderen Bands bestellt? Ihr wart zum Beispiel auf der NME Awards Tour mit den Drums und Bombay Bicycle Club, die seitdem ziemlich durchgestartet sind. Seid ihr neidisch darauf?
White: Ich denke, dass wir uns als Band immer unsere eigene Schneise geschlagen haben. Wir haben uns schrittweise entwickelt, und das passt gut zu uns und wir sind dankbar dafür. Wir haben nie ein paar Stufen auf der Leiter übersprungen, und das wäre wohl auch nicht gut für uns gewesen. Mir fallen eine Menge Bands ein, die mit uns angefangen haben, dann zwischenzeitlich erfolgreicher als wir waren, aber jetzt gar nicht mehr existieren. Keiner erinnert sich an sie. Und wenn Freunde von uns plötzlich richtig erfolgreich werden, dann freuen wir uns für sie. Die machen ihr Ding und wir machen unseres. Außerdem ist uns klar geworden: Wenn man wirklich ein riesiges Publikum und den Massenmarkt erreichen will, dann muss man bestimmte Dinge machen. Das ist wirklich schwierig und ich finde es bewundernswert, wenn jemand das hinbekommt. Aber es gibt ein paar Sachen an den Maccabees, die damit nicht zusammenpassen.
Wenn ihr so ein verschworener Zirkel seid, wie entwickelt ihr euch dann weiter? Woher nehmen die Maccabees neue Einflüsse?
White: Meistens empfehlen wir uns gegenseitig neue Platten. Da ist es aber auch so, dass wir sehr unterschiedliche Vorlieben haben und niemand versucht, den anderen seinen Geschmack aufzudrängen. Dass wir uns wirklich mal alle auf eine gemeinsame Lieblingsband einigen können, kommt sehr selten vor.
Es ist also wahrscheinlich unmöglich, jetzt schon die Richtung zu umschreiben, in die das neue Album gehen könnte. Wenn ich dich richtig verstehe, wird dir diese Richtung selbst erst dann klar, wenn ihr alle zusammen im Studio sitzen und eure Ideen austauschen werdet.
White: Ja. Es ist unmöglich, da eine Prognose zu machen. Jeder hat eine andere Vorstellung, und am Ende kommt eine Kombination von all dem heraus. Niemand von uns bekommt am Ende das Album, das er am Anfang haben wollte. Aber man kann eben hoffen, dass man dafür ein noch besseres Album bekommt.
Ich würde gerne noch ein anderes Thema mit dir besprechen: die Olympischen Spiele. Schließlich kommst du aus London. Wie war das für dich?
White: Ich konnte keine Tickets bekommen. Und wir waren so viel auf Tournee, dass ich nur ein paar Sachen am Fernseher anschauen konnte. Aber ich denke, alles in allem war es eine tolle Veranstaltung und London war ein sehr netter Gastgeber.
Auf mich wirkte es ein bisschen wie die Fußball-WM 2006 in Deutschland. Alle hatten erwartet, dass die Deutschen strenge, langweilige Spaßbremsen sein würden, doch dann wurde das Turnier zu einer richtigen Party. Diesen Effekt scheinen die Spiele auch für England und vor allem für London gehabt zu haben.
White: Ja, das sehe ich auch so, und das ist vor allem den ganzen Leuten zu verdanken, die irgendwie daran beteiligt waren. Vor den Spielen gab es viel Skepsis. Alle haben gemeckert: „Das wird ein Albtraum, ich haue da lieber ab aus London.“ So sind die Londoner eben. Aber als es dann wirklich losging, waren alle begeistert.
Bist du stolz darauf, ein Lokalpatriot?
White: Ja, das bin ich. Wir kommen wirklich viel rum. Aber London ragt immer noch heraus. Es ist einfach eine ziemlich erstaunliche Stadt.
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