In knapp vier Wochen erscheint I Love You, Dude, das äußerst gelungene zweite Album von Digitalism. Gerade haben die Hamburger die neuen Songs bei Konzerten in Dresden und Berlin vorgestellt, im Sommer stehen für Jens Moelle und Ismail „Isi“ Tuefekci unter anderem Hurricane, Southside, Wireless und Melt an.
Vorab habe ich mit Isi über die Frage gesprochen, warum das zweite Digitalism-Album fast nach einem Werk von Roxette benannt worden wäre, wie gut man die Strokes per E-Mail erreichen kann – und welchen Einfluss die Simple Minds auf I Love You, Dude hatten.
Euer Debüt ist mittlerweile vier Jahre alt. Gibt es inzwischen ein Lied von Idealism, das Euch zum Hals raus hängt, das Euch vielleicht sogar peinlich ist?
Tuefekci: Nein. Da sind nur Sachen drauf, wo wir 100 Prozent dahinter stehen.
Auch die Tatsache, dass ihr die Songs inzwischen so oft live gespielt habt, konnte ihnen in dieser Hinsicht nichts anhaben?
Tuefekci: Nein, eigentlich gar nicht. Es ist doch wundervoll, wenn man die Lieder, die man produziert hat, weltweit präsentieren kann. Es gibt nichts Schöneres.
Jetzt steht I Love You, Dude in den Startlöchern. Ist ein Album noch ein zeitgemäßes Format für Eure Musik? Beispielsweise die unlängst veröffentlichte Blitz EP zeigt ja zumindest an, dass Ihr auch nichts dagegen hättet, neues Material ein bisschen spontaner veröffentlichen zu können.
Tuefekci: Mit der EP war das ein bisschen anders. Wir hatten einfach Lust drauf, die Nummer rauszuhauen. Blitz haben wir im letzten Jahr die ganze Zeit schon bei den Festivals aufgelegt, und die Nummer ging jedes Mal richtig gut ab. Da haben wir uns gesagt: Lass uns doch mal wieder ein kleines Lebenszeichen von uns geben. Ich bin froh, dass wir mit beiden Formaten arbeiten können. Auf dem Album hat man die Albumversion, und auf die 12“ kann man dann noch eine paar andere Mixes packen, die mehr cluborientiert sind.
Man könnte aber auch vier 12“ pro Jahr raushauen und es dabei belassen. Wo liegt für Digitalism der Reiz des Albums?
Tuefekci: Wenn man ein Album im Ganzen hört, versteht man vielleicht, dass das alles zusammengehört. Ein Album ist für uns etwas anderes als zwölf wahllos zusammengestellte Tracks. Da soll eine Story dahinter sein. Das war schon beim ersten Album so: Man kann Idealism von Anfang bis Ende hören – und man wird kein Stück finden, das einfach nur so dahingeklebt ist.
Fürs zweite Album habt Ihr den Titel I Love You, Dude gewählt, weil es einfach sympathisch und entspannt klingt. Ist es auch ein bisschen eine Liebeserklärung an den Mitstreiter: Ich bin froh, dass ich Dich habe, ohne Dich hätte ich es nicht so weit gebracht?
Tuefekci: Das denken viele. Aber so war es nicht gedacht. Wir achten uns natürlich sehr, verstehen uns blind und arbeiten sehr entspannt zusammen. I Love You, Dude bezieht sich eher darauf, dass viele Leute zu viel nachdenken und zu verkrampft mit vielen Dingen umgehen. Wir wollten die Message weitergeben: Bleibt doch mal ein bisschen entspannt – auch, weil wir selbst ganz entspannt an die Arbeit am zweiten Album herangegangen sind.
Angeblich wolltet Ihr das neue Album zuerst Tourism nennen. Stimmt das?
Tuefekci: Genau.
Ihr habt Euch dann aber nicht dagegen entschieden, weil es ein Roxette-Album gleichen Namens gibt?
Tuefekci: Nein, so genau haben wir das gar nicht recherchiert (lacht). Tourism hätte aus einem anderen Grund gut gepasst: Auf dem Album geht es auch ums Herumreisen, um Bewegung. Ich kann jedem nur raten: Hört euch das Album an, wenn ihr in Bewegung seid! Im Auto, im Flieger oder auf dem Fahrrad – dafür ist es gemacht. Trotzdem haben wir uns dann gegen Tourism entschieden. Auch, weil es das nächste –ism gewesen wäre und wir uns nicht zu sehr auf diese Masche festnageln lassen wollten. Das ist uns sehr wichtig. Deshalb gibt es auch ein neues Logo zur neuen Platte.
Als ich I Love You, Dude gehört habe, hat das drei Reaktionen in mir ausgelöst: Ich wollte tanzen, ich wollte mitsingen und ich wollte remixen. Wenn nur eine von diesen Reaktionen möglich wäre: Welche würdest Du Dir von Eurem Publikum wünschen?
Tuefekci: Tanzen. Weil es eine Art von Bewegung ist. Das trifft aber auch auf Mitsingen zu, in gewisser Weise auch aufs Remixen. Insofern kann ich mit allen drei Reaktionen sehr gut leben, das hast Du wirklich auf den Punkt gebracht. Aber abtanzen wäre das Schönste. Dass man bei einem Album mitsingt, ist auch gut. Aber dass man zuhause in der Küche zu einem Album tanzt, das kommt sicher nicht so oft vor.
Und wie ist es ums Remixen bestellt? Wenn Ihr an den Tracks arbeitet – denkt Ihr dann schon mit, wie man sie vielleicht weiter verarbeiten könnte?
Tuefekci: Nein. Ich denke, dass das auch schwierig wäre, weil wir einfach so viel Spaß daran haben, so viele verschiedene Genres zusammenzupacken und diese Songs dann wirklich zu Ende zu produzieren. Erst danach kommt die Frage: Welche Elemente kann man da vielleicht noch einmal rausziehen, um einen Remix zu machen?
Tanzen, Mitsingen, Remixen – könnte man darin vielleicht sogar die drei Kernelemente von Digitalism sehen?
Tuefekci: Das ist schwer zu sagen, darüber habe ich noch nie richtig nachgedacht. Wenn ich definieren müsste, worum es bei uns geht, dann würde ich sagen: ganz viele Elemente zusammenzupacken. Den melodiösen Part, den härteren Part, die Indie-Part, den Club-Part. Darum geht es, aber da steckt kein größeres Konzept dahinter. Wir fangen einfach an. Bei I Love You, Dude hat sich das so ausgewirkt, dass alles ein bisschen extremer geworden ist. Die melodiösen Sachen sind noch melodiöser geworden, die harten Sachen noch härter.
Ist das auch auf neue Einflüsse zurückzuführen? Habt Ihr Sachen gehört oder ausprobiert, die bei Idealism noch gar keine Rolle gespielt haben?
Tuefekci: Jens und ich mögen ja fast die gleiche Musik, auch wenn jeder noch seine eigene Ecke hat. Und dann spielen wir uns im Studio gegenseitig Sachen vor, die uns gefallen. I Travel war so ein Beispiel, eine alte Nummer von den Simple Minds. Die ist aus dem Jahr 1980, aber wenn man das heute hört, klingt es fast wie eine Soulwax-Nummer. Aber es gab keinen bestimmten Künstler, der das Album geprägt hätte, sondern ganz viele verschiedene Einflüsse, die uns inspiriert haben. Das hört man I Love You, Dude auch an, denke ich. 2 Hearts ist fast eine klassische Britpop-Nummer, auf der anderen Seite steht Circles, das nach Gary Numan oder LCD Soundsystem klingt.
Forrest Gump ist gemeinsam mit Julian Casblancas entstanden, dem Sänger der Strokes, und zwar über E-Mail. Wie darf man sich das denn vorstellen?
Tuefekci: Das war eigentlich ganz einfach. Wir haben ein Demo gehabt, haben das an sein Management geschickt und er hat sich prompt zurück gemeldet. Wir haben dann seine Idee übernommen und weiter damit gearbeitet. Aber wir waren ehrlich gesagt selbst ein bisschen überrascht: Wow, so ein Typ wie Julian Casablancas hat Lust, etwas mit uns zu machen! Leider war er dann ziemlich unter Zeitdruck. Er musste noch das Strokes-Album schreiben, war gerade auf Tour, dann stand eine Promo-Tour an und er war auch noch gerade Vater geworden. Das machte es ein bisschen kompliziert.
Ist das auch der Grund, warum er auf dem Track nicht singt? Das wäre ja naheliegend gewesen.
Tuefekci: Daran haben wir gar nicht gedacht. Vielleicht klappt das später einmal, wenn er ein bisschen mehr Zeit hat. In jedem Fall hat er uns gesagt, dass er ein ziemlicher Fan unserer Musik ist.
Eine rein virtuelle Zusammenarbeit – das wäre ja auch eine gute Lösung für Digitalism, falls Ihr Euch mal irgendwann verkrachen solltet und Euch nicht mehr sehen könnt: Der eine schickt den Drumbeat, der andere packt einen Synthie drauf – und am Ende hat man trotzdem ein gemeinsames Werk.
Tuefekci: Viele Produzenten arbeiten wirklich so. Das hat die Arbeit in gewisser Weise viel einfacher und globaler gemacht: Ein Produzent in Paris kann jetzt problemlos mit einem Kollegen in Australien zusammen Musik machen.
Wäre das für Digitalism eine Perspektive? Oder ist es bei Euch essenziell, dass Jens und Du sich wirklich im selben Raum befinden?
Tuefekci: Ich denke, wir könnten als Band auch bloß übers Internet kommunizieren, aber das würde nicht so gut funktionieren wie wenn wir wirklich nebeneinander sitzen. Wenn man mit vier Händen kocht, kommt am Ende vielleicht nur Scheiße dabei raus. Wenn aber einer kocht und der andere abschmeckt, ist das Ergebnis wahrscheinlich viel leckerer. So ähnlich ist das bei unserer Arbeitsweise als Band: Jens dreht, und ich schneide die besten Szenen raus. Deshalb ziehe ich es auf jeden Fall vor, wenn wir beieinander stehen.
Du hast jetzt zweimal „Band“ gesagt. In den Anfangstagen von Digitalism habt Ihr Euch noch gegen diesen Begriff gewehrt und immer klargestellt: Wir sind keine Band. Wir sind zwei Produzenten, die zusammenarbeiten. Was hat sich nun geändert?
Tuefekci: Idealism war wirklich ein Album, das von zwei Produzenten gemacht wurde. Aber danach hat man uns ins kalte Wasser geschmissen und gesagt: So, Ihr spielt jetzt live. Und diese Erfahrung hat Digitalism wirklich verändert. Wir haben viel gesehen und viel erlebt. I Love You, Dude ist auf jeden Fall aus einer ganz anderen Perspektive heraus entstanden. Wir sind jetzt wirklich eine Band. Eine Zwei-Mann-Band, auch wenn das vielleicht komisch klingt.
Ein Gedanke zu “Interview mit Digitalism”