Interview mit Friends

Es sieht nicht so aus, aber Samantha Urbani bereut andauernd, ein Teil von Friends zu sein. Foto: Melt/Stephan Flad
Es sieht nicht so aus, aber Samantha Urbani bereut andauernd, ein Teil von Friends zu sein. Foto: Melt/Stephan Flad

Dear English speaking readers: An English version of this interview with Samantha Urbani is available here.

Samantha Urbani liebt Club Mate. In ihrer Berliner Zeit hat sie das Zeug entdeckt, und jetzt —zurück in New York— vermisst sie es schrecklich. „It tastes like medicine“, lautet ihre Begründung. Als sie sich, backstage beim Melt-Festival, gestärkt hat, legen wir los mit dem Interview. Das Mate-Doping zeigt erstaunliche Wirkung: Die Sängerin von Friends schwärmt über ihren neuen Freund, kündigt einen Kreuzzug gegen traurige Liebeslieder an, erklärt die magische Wirkung der Frisur von Darwin Deez und verrät: Wenn man sie rumkriegen möchte, sollte man mit ihr zu einem Hanson-Konzert gehen.

Was schätzt du, wie viele von all den Reportern, die dich interviewen, sind wohl verknallt in dich?
Samantha Urbani (kichert): Keine Ahnung.

Ich will nicht uncharmant sein, aber ich muss dir gestehen: Ich gehöre nicht dazu. Aber ich kenne eine ganze Menge, auf die es zutrifft.
Urbani: Das ist in Ordnung. Ich denke, jeder sollte auf gewisse Weise in jeden verliebt sein, weißt du? Man sollte neugierig aufeinander sein, fasziniert voneinander — das ist ja irgendwie, worum es beim Verliebtsein geht. Und ich weiß, dass ich ein ziemlich kokettes Naturell habe. Wenn ich mit Leuten rede, dann kommt das meistens wie ein Flirt rüber.

Gab es mal eine Situation, in der du von einem Journalisten richtig nervig angegraben wurdest?
Urbani: Wenn ich mich dumm angemacht fühle, dann spreche ich das immer sofort an. Deshalb kann das eigentlich nicht zu unangenehm für mich werden. Wenn mich jemand nervt, dann sage ich rechtzeitig: Fuck You!

Es muss ein bisschen langweilig sein, wenn man in Interviews immer nur bejubelt und angehimmelt wird, oder?
Urbani: Ich bevorzuge Interviews, die ein echtes Gespräch sind. Nicht bloß jemand, der mir erzählt, wie toll er unsere neue Single findet. Es macht mehr Spaß, wenn es wirklich ein intellektueller Dialog wird statt nur ein Gespräch über Ego-Kram.

Ich befürchte, die nächste Frage wird dir dann nicht gefallen, aber ich verspreche, dass es danach besser wird: Seid ihr Freunde bei Friends?
Urbani: Ja. Naja, zwei Leute sind im letzten Jahr aus der Band ausgestiegen.

Deshalb frage ich.
Urbani: Wir sind trotzdem Freunde, auf verschiedene Arten. Die Beziehungen innerhalb der Band wurden damals allerdings schwierig. Mit Leslie [Leslie Hann, ehemalige Bassistin] und Matt [Matthew Molnar, ehemaliger Keyboarder], die ausgestiegen sind, bin ich immer noch sehr eng befreundet. Leslie habe ich letzte Woche erst getroffen, sie hat jetzt eine neue Band. Ich kenne sie, seit ich sieben Jahre alt bin, ich kann mir also gar nicht vorstellen, dass wir uns jemals entfremden sollten. Auch mit Nikki bin ich sehr gut befreundet, und mit Oliver — das fühlt sich an, als seien wir eine Familie.

Hatten die Spannungen etwas mit Erfolg, mit dem Hype rund um die Band zu tun?
Urbani: Nein. Höchstens in dem Sinne, dass wir durch unseren Erfolg ständig auf Tour waren. Aber es lag nicht daran, dass irgendjemandem der Ruhm zu Kopf gestiegen ist oder so.

Das wäre aber nicht allzu verwunderlich gewesen. Der Erfolg hat doch sicher all eure Erwartungen übertroffen, oder?
Urbani: Nein. Ich will jetzt nicht eingebildet klingen. Aber ich denke, dass jeder das schaffen kann, was er sich vornimmt. Weißt du, vor drei Jahren war ich als Zuschauer hier bei diesem Festival. Ich bin mit ein paar Freunden aus Berlin hergekommen, wir wollten uns Darwin Deez ansehen. Ich habe mit Darwin im selben Restaurant in New York gejobbt, und ich hatte keine Ahnung, dass er mittlerweile hier eine große Nummer ist. Dann spielte er seine Show und ich sah dieses Zelt voller Kids, die seine Frisur imitierten und die all seine Lieder mitgesungen haben. Das war verrückt, wie eine andere Dimension. Aber es hat mir gezeigt: Alles ist möglich.

Noch eine Frage, die mit dem Bandnamen zu tun hat, wenn du erlaubst: Was war das Beste, was ein Freund in diesem Jahr für dich getan hat?
Urbani (denkt eine Weile nach): Mein neuer Freund Dev [Dev Hynes, aka Lightspeed Champion] hat eine Menge toller Dinge für mich gemacht. Wir haben uns kennen gelernt, als ich gerade eine ziemlich schlimme Trennung zu verarbeiten hatte. Er hat mich gefragt, ob ich ein paar Sachen auf seinem Album singen will, er hat mich nach London eingeladen. Und er hat mich mit zu einem Konzert von Hanson genommen, der absoluten Lieblingsband meiner Kindheitstage.

Hanson? Die mit Mmmbop? Die gibt es noch?
Urbani: Ja, die haben gerade ein neues Album herausgebracht.

Wie alt sind die jetzt?
Urbani: Ende 20, Anfang 30. Als Zehnjährige war ich besessen von Hanson. Und Dev ging es genauso, als er noch klein war. Also hat er mir eine Freude gemacht und mich mit einem Hanson-Konzert überrascht. Das bedeutet mir wirklich eine Menge: Jemand, der erkennt, dass du ein bisschen down bist und der dich dann inspiriert und motiviert. Dank ihm geht es mir in diesem Jahr viel besser.

Wann hast du es das letzte Mal bereut, ein Teil von Friends zu sein?
Urbani (lacht): Das tue ich andauernd! Ich bin ein zwiegespaltener Mensch, der viele Sachen zugleich liebt und hasst. Siehst du, so: [Sie zeigt mir ihre Lederjacke, auf deren Rückseite sie eigenhändig ein Ying-Yang-Symbol gemalt hat] In gewisser Hinsicht ist das Leben in einer Band wie in einer Beziehung, du kannst nicht einfach losmarschieren und machen, was du willst. Ich habe einen Teil meines Lebens der Band gewidmet, und mit dem anderen Teil lebe ich mein eigenes Leben. Natürlich vermisst man da manchmal ein bisschen Freiheit. Jeder in der Band fragt sich ab und zu: Warum müssen wir heute auf Tour sein? Wieso kann ich nicht zuhause sein und mit meiner Mutter, meinem Hund und meinem Freund abhängen? Aber das geht vorbei. Ich bin dankbar dafür, wie alles gelaufen ist.

Denkst du, dass es für die Band einfacher werden wird, wenn ihr demnächst ein zweites Album draußen habt?
Urbani: Vielleicht. Im letzten Jahr war der Hype — wie alle es nennen — wirklich anstrengend. Wir hatten das ja nicht angestrebt, es ist einfach passiert. Und auf einmal fragten uns alle, ob wir jetzt Druck verspüren. Unsere Antwort: Nein, sollten wir? Jetzt hat sich alles ein bisschen abgekühlt, und das ist gut so.

Magst du etwa den Erfolg nicht?
Urbani: Das ist es nicht. Ich will gerne Erfolg haben. Aber nicht unbedingt so einen nervigen, kriecherischen Erfolg.

Was können wir also vom zweiten Album erwarten?
Urbani: Nach der Erfahrung mit dem Debüt wissen wir jetzt viel mehr, was wir eigentlich wollen. Um ehrlich zu sein: Ich mag unser erstes Album nicht sonderlich. Es gibt ein paar gute Songs, aber der Gesamteindruck hätte viel besser sein können. Diesmal wissen wir, wonach wir streben und wie wir das erreichen können. Wir werden mit ein paar Leuten zusammenarbeiten, die uns mögen, und so neue Möglichkeiten ausloten.

Ist die neue Single The Way so etwas wie eine Blaupause für den neuen Sound?
Urbani: Viele Sachen aus dem letzten Jahr hatten diesen körnigen Lo-Fi-Sound. Ich mag das wirklich gerne — aber nur, wenn es echt ist. Ich finde es bescheuert, in ein teures Studio zu gehen, um das Ergebnis dann möglichst beschissen klingen zu lassen. Wir wollten lieber all die tollen Möglichkeiten nutzen, die es dort gibt, und den Song episch und bewundernswert klingen lassen.

Ihr habt The Way als „eure taoistische Powerballade“ bezeichnet. Das ist nicht unbedingt das, was die meisten erwartet hatten — sowohl vom Sound als auch vom Text her.
Urbani: Ich achte jetzt viel mehr auf meine Texte, weil ich die Schnauze davon voll habe, Lieder über lauter emotionalen Bullshit zu schreiben. The Way ist zwar ein Liebeslied, aber es hat ganz viel Bedeutung. Ich habe eine echt beschissene Trennung hinter mir, aber ich werde definitiv keinen fiesen Song über meinen Ex schreiben. Viele Leute mögen das, weil es ihnen hilft, wenn sie hören, dass jemand anderes dasselbe durchgemacht hat. Aber viele dieser Liebeslieder sind einfach mitleiderregend. „Baby, warum machst du Schluss mit mir?“ — das ist ekelhaft. Jeder, dessen Stimme potenziell von Millionen von Menschen gehört werden kann, sollte sich darüber klar sein, dass er das Bewusstsein der Massen beeinflussen kann. Und dabei gibt es definitiv bessere Botschaften, als Tausende junger Mädchen dazu zu bringen, sich in ihren Kinderzimmern die Augen auszuweinen.

Wann wird das zweite Album denn fertig sein?
Urbani: Die meisten Songs sind geschrieben. Wir nehmen jetzt zehn Tage lang in London auf und arbeiten dann in New York weiter. Ich hoffe, dass wir am Ende des Sommers fertig sind.

Hast du ein Vorbild für das perfekte zweite Album? Du weißt schon: Eines, das alle Qualitäten des Debüts bewahrt, aber zugleich eine Weiterentwicklung ist?
Urbani: Ich weiß nicht. Wahrscheinlich das zweite Album von Eminem. Oder Siamese Dream von den Smashing Pumpkins. Aber ich orientiere mich eigentlich nicht an anderen Künstlern. Was ich mache, muss mir gefallen — das ist das Wichtigste.

Hättest du ein Problem damit, wenn Leute sagen: Ich erkenne auf dem neuen Album nichts davon wieder, was ich auf dem Debüt noch so toll fand?
Urbani: Ehrlich gesagt rechne ich fast damit, dass das passieren wird. Wir sind jetzt praktisch eine andere Band. Wir hatten sogar mit dem Gedanken gespielt, uns umzubenennen, um das deutlich zu machen.

Im Ernst? Welche neuen Namen standen denn zur Debatte?
Urbani: Wir hatten keine guten Ideen. Ich wollte, dass Friends irgendwie erhalten bleibt, also so etwas wie New Friends, Old Friends oder Friends Now. Aber das haben wir dann verworfen. Trotzdem sind wir eine neue Band. Unser Schlagzeuger Oliver hat früher nur ein paar Trommeln im Stehen gespielt, jetzt hat er ein ganz klassisches Kit. Wir haben einen festen Gitarristen und Keyboarder, dafür spielt niemand mehr Percussions.

Wird das auch eure Liveshow verändern?
Urbani: Ja, das passiert schon. Im letzten Sommer hatte ich noch viel mehr Gelegenheit, Kontakt mit dem Publikum aufzunehmen. Wir haben kleine Venues gespielt, ich konnte die Gesichter der Leute sehen, es gab kaum eine richtige Bühne. Es war einfach ein Raum voller feiernder Kids. Jetzt, wenn wir zum Beispiel bei Festivals spielen, ist ein drei Meter breiter Graben zwischen uns und dem Publikum. Alles ist so weit weg. Ich bin deshalb oft ins Publikum gerannt, habe alle geküsst oder bin bei jemandem auf die Schultern geklettert. Das mache ich aber auch nicht mehr so oft. Ein paar Dinge sind aber gleich geblieben: Es geht darum, echte Energie zu zeigen. Wenn die Leute abgehen, dann gehe ich auch ab. Wenn ich 1000 Leute oder 8000 Leute sehe, die Spaß haben, dann werde ich mich verdammt noch mal auch richtig reinhauen.

Dieses Interview gibt es auch bei Noisey.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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