Interview mit Hermann Otto Solms

Hermann Otto Solms wirbt für eine nachhaltige Steuerreform. Foto: obs/CMA
Hermann Otto Solms wirbt für eine nachhaltige Steuerreform. Foto: obs/CMA

„Acht Prozent plus“ strebt Hermann Otto Solms (64) als Ergebnis für die FPD bei der für den 18. September angesetzten Neuwahl des Bundestags an. Im Gespräch äußert sich der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag zu Köhlers Entscheidung, der Linkspartei und der Finanzpolitik einer schwarz-gelben Regierung.

Frage: Bundespräsident Horst Köhler hat am Donnerstagabend beschlossen, den Bundestag aufzulösen. Für Sie überraschend?

Solms: Ich habe es für wahrscheinlich gehalten und denke, dass es ein absolut richtiger Schritt ist. Ich finde, dass der Bundespräsident diese Entscheidung auch exzellent begründet hat. Deshalb glaube ich nicht, dass das Bundesverfassungsgericht dagegen Einspruch erheben wird. Auch die Bevölkerung hat diesen Schritt erwartet.

Frage: Nun hat der Wahlkampf begonnen. Die FDP punktete zuletzt mit ihrem Widerstand gegen die von der Union geplante Mehrwertsteuererhöhung. Jüngst hieß es aber, dass daran die Koalition nicht scheitern wird.

Solms: Die FDP spricht sich gegen eine Mehrwertsteuererhöhung aus. Wir dürfen jetzt den Druck auf Reformen beim Steuersystem, Arbeitsmarkt, Renten-, Pflege- und Krankenversicherung nicht mindern. Die Vorschläge der FDP dazu liegen auf dem Tisch. Erst am Ende des Reformprozesses kann eine finanzielle Bilanz gezogen werden.

Frage: Ihr Vorwurf lautet, dass die Union sich vor diesen Reformen scheut und den bequemeren Weg über eine Steuererhöhung wählt?

Solms: Sie wählt den bequemen Weg. Wir wollen diesen Weg aber nicht gehen, denn der Weg ist falsch. Eine Mehrwertsteuererhöhung belastet die Verbraucher, den Konsum und die Unternehmensgewinne. Was wir jetzt brauchen, sind aber Impulse für Wachstum, damit Arbeitsplätze entstehen. Die Erhöhung darf jetzt nicht kommen.

Frage: Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre also lediglich Flickschusterei?

Solms: Ja. Wir brauchen nachhaltige Reformen, die auch dazu beitragen können, dass die öffentlichen Haushalte nachhaltig saniert werden. Das wird nur gehen durch Wachstum und mehr Beschäftigung. Sonst gibt es in zwei Jahren wieder die gleichen Haushaltslöcher wie vorher.

Frage: Warum pocht die FDP dann nicht auf ihr Nein?

Solms: Die schwierigste Reformaufgabe wird sicherlich die Gesundheitspolitik sein. Auch hier aber gilt: Erst am Ende der Reform steht die finanzielle Bilanz. Für mich ist das aber auch eine Stilfrage. Ich möchte nicht mit apodiktischen Bedingungen in Koalitionsverhandlungen gehen, weil ich das vom Koalitionspartner auch nicht wünsche.

Frage: Sparen will die FDP vor allem bei der Bundesagentur für Arbeit. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Ich-AGs und Umschulungen sollen abgeschafft werden. Bleiben da nicht die Arbeitslosen auf der Strecke?

Solms: Die Bundesagentur für Arbeit verwaltet 58 Milliarden Euro jährlich und gibt dieses Geld aus für eine Arbeitsmarktpolitik, die viel kostet und wenig bringt. Umschulungen werden betrieben, bis die Menschen in Rente gehen, ohne dass sie je in Arbeit kommen. Das ist rausgeschmissenes Geld.

Frage: Die Alternative?

Solms: Aktive Arbeitsmarktpolitik sollte lieber Dinge fördern, die eine realistische Arbeitsperspektive mit sich bringen. Wenn es gelingen würde, eine Million Menschen, die heute von Sozialeinkommen leben, in Lohn und Brot zu bringen, würde das die öffentlichen Hände und die Sozialkassen um 20 Milliarden Euro entlasten. Darauf muss die Strategie gerichtet sein.

Frage: Halten Sie eine Million für realistisch? Ähnliche Ziele hatten sich ja schon Kohl und Schröder gesetzt…

Solms: Die haben aber nicht die richtigen Maßnahmen ergriffen. Auch Hartz IV ist im Kern eine richtige Maßnahme, nur wurde sie handwerklich miserabel durchgeführt. Besser wäre es, wenn der Arbeitsmarkt für mehr Beschäftigung geöffnet würde und es wieder einen Niedriglohnsektor gäbe, der durch Kombi-Löhne und Zuschüsse sozial ergänzt wird. Wichtig ist: Es muss eine Verbesserung der Aussichten auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geben.

Frage: Was ist mit diesem Programm für die FDP bei der Neuwahl drin?

Solms: Ich sage immer: acht Prozent plus. Es wird jetzt darauf ankommen, dem Wähler deutlich zu machen, dass es hier eine harte Auseinandersetzung gibt zwischen einer bürgerlichen Politik der Erneuerung der Rahmenbedingungen für Deutschland und einer Rückkehr zu einer Politik der sozialistischen Mottenkiste des letzten Jahrhunderts durch die drei Linksparteien Rot-Rot-Grün.

Frage: Sie befürchten also eine Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei?

Solms: Die SPD wird sich nicht scheuen, mit den Kommunisten zusammen eine Mehrheit zu bilden. Das hat sie in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin bewiesen. Der Bundeskanzler Gerhard Schröder wird dafür nicht zur Verfügung stehen, aber andere Persönlichkeiten wie Herr Gabriel sicher – ohne mit der Wimper zu zucken.

Frage: Warum hat die FDP gegenüber der Linkspartei dann bisher vergleichsweise moderate Töne angeschlagen?

Solms: Wir haben uns zurückgehalten, weil wir diese Partei nicht noch zusätzlich aufwerten und Lafontaine und Gysi zusätzliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verschaffen wollten. Dass die Versprechen der Linkspartei unrealistisch und rückwärts gewandt sind, werden wir jetzt in einer inhaltlichen Debatte zeigen.

Frage: Bei einem Wahlerfolg von Schwarz-Gelb werden Sie als Kandidat für das Amt des Bundesfinanzministers gehandelt. Wäre das nicht die ideale Möglichkeit, die große Steuerreform, die Sie einmal als „Herzensangelegenheit“ bezeichnet haben, endlich umzusetzen?

Solms: Das Amt des Finanzministers ist eine schwere Aufgabe, weil Herr Eichel das Ministerium in einem völlig zerrütteten Zustand übergeben wird. Es wird sehr schwer sein, dort wieder eine positive Trendwende einzuleiten. Aber es kommt nicht darauf an, wer welches Ressort verantwortet, sondern welche Politik dort gemacht wird. Deren Inhalte werden im wesentlichen in den Koalitionsverhandlungen festgelegt.

Homepage von Hermann Otto Solms.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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