Mit erst 25 Jahren hat Roman Fischer den Ruf des deutschen Indiepop-Wunderkinds schon hinter sich gelassen. Vielleicht erweist er sich deshalb als vergleichsweise mutiger junger Mann. Ich treffe den 25-Jährigen zum Interview an der Leipziger Parkbühne, wo er das Vorprogramm für das Unplugged-Konzert der Sportfreunde Stiller bestreitet. Auf der Bühne spielt er fast nur Stücke vom neuen Album Roman Fischer, das erst übermorgen erscheinen wird und das deshalb nicht einmal seine größten Fans kennen können.
Einen Tag nach dieser Show wird er bei Rock am Ring auf der Bühne stehen. Doch vor dem Festival in der Eifel, wo es normalerweise eher um harte Männer geht als um sensible Indiepop-Wunderkinder, ist ihm nicht bange. «Für uns ist es eine Ehre, dass wir da spielen dürfen», sagt er. Und verrät danach im Interview, warum er nach Berlin ziehen musste, um seine Ruhe zu finden. Und wie er auf dem neuen Album den Mut gefunden hat, auf Deutsch zu singen.
Wenn man das neue Album Roman Fischer hört, könnte man den Eindruck haben, dass der Gedanke an Sommer, Festivals und Konzerte schon im Studio eine Rolle gespielt hat.
Fischer: Auf jeden Fall. Es ging darum, kreativ zu sein, ohne sich allzu viele Gedanken zu machen. Früher habe ich oft nach möglichst cleveren Akkorden gesucht. Diesmal wollten wir einfach Spaß haben, und ich habe zum Beispiel ganz viel mit Klischees gespielt. Wenn man so will, habe ich auf dieser Platte meinen Humor entdeckt. Wir haben als Team ganz befreit gearbeitet, auch dank Produzent Patrick Berger.
Bisher hast Du sehr viele Instrumente selbst eingespielt. Die neue Herangehensweise bedeutete aber auch, dass Du die Alleinherrschaft über Deinen Sound abgeben musstest. War das schwierig?
Fischer: Das war vor allem am Anfang eine sehr ungewöhnliche Erfahrung. Aber im Rückblick hat mir das nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich sehr weiter geholfen. Im Lied Let It Go schreibe ich darüber, dass es manchmal gar nicht so wichtig ist, dass man alles selber im Griff hat.
Bist Du auch sonst eher ein Einzelgänger?
Fischer: Ich bin kein Partymensch, der die ganze Zeit ausgeht und es krachen lässt. Aber ich bin auch kein Einzelgänger, schon gar nicht im musikalischen Bereich. Ich bin schon seit Jahren mit so vielen Musikern verbunden, mit denen ich auch sehr gerne zusammenarbeite, da wurde es höchste Zeit, diese Offenheit auch mal im Konzept der Platte zu berücksichtigen.
Wünscht Du Dir manchmal, Du hättest auch schon auf den ersten beiden Alben auf diese Weise gearbeitet?
Fischer: An manchen Stellen schon. Andererseits bin ich auch sehr zufrieden mit den beiden Platten. Bei Bigger Than Now war ich natürlich noch sehr jung und habe dann später versucht, mich ein bisschen von diesem leichten Pop zu distanzieren. Wenn ich mir das Album heute anhöre, finde ich sie aber sehr gut und mutig.
Die zweite Platte hast du kürzlich in einem Interview als «schockierend düster» bezeichnet. Wenn man den Videoclip zu Lightscapes anschaut, in dem Du eine Wand durchbrichst, die für alle anderen undurchlässig ist – muss man das dann auch als Statement interpretieren, dass Du nun wieder den Durchbruch zu optimistischeren Sounds geschafft hast?
Fischer: Die Idee für das Video kam von Regisseur Julian Reich, und man kann sie in viele Richtungen interpretieren. In dem Song geht es eigentlich eher um das System, in dem wir leben, um die Tatsache, dass immer mehr in immer kürzerer Zeit passiert. Inzwischen sehe ich das Video aber auch ein bisschen so, dass es für mich ein Durchbruch sein könnte, in eine andere Richtung zu gehen.
Hört man Roman Fischer an, dass die Platte nicht mehr in Augsburg, sondern in Berlin entstanden ist?
Fischer: Berlin ist in meinen Augen keine besonders inspirierende Stadt. Aber es ist eine Stadt, die mir die Freiheit gibt, Musiker zu sein. Trotzdem hätte ich die Platte nicht so gemacht, wenn ich noch in Augsburg gewohnt hätte, weil ich dann zu sehr auf mein Umfeld gehört hätte.
Also war das Ziel nicht so wichtig, aber es war wichtig, überhaupt rauszukommen?
Fischer: Ja. Andere Leute gehen in ein einsames Haus in Spanien, und ich bin eben nach Berlin gegangen und habe es dort geschafft, meine Ruhe zu finden und mir ganz viel Zeit zu nehmen, um zu reflektieren. Auch die elektronische Musik in Berlin hat die Platte sicherlich beeinflusst.
Was gab es sonst für Vorbilder für den Sound des Albums?
Fischer: Ganz viele. Es waren ja immerhin vier Jahre, die zwischen den beiden Platten liegen, und da entdeckt man eine Menge toller neuer Musik. Ich denke schon, dass man dem Album anhört, was ich selber für Bands und Musikrichtungen mag. Zum Beispiel haben diesmal die Blood Brothers eine große Rolle gespielt. Das ist eine Hardcore-Punkband, die sich jetzt leider aufgelöst hat. Aber auch Chairlift aus New York haben mich sehr inspiriert. Außerdem träume ich seit Jahren davon, einmal ein ganz hartes Soul- und R’n’B-Album zu machen. Das Schwierige war, diese sehr verschiedenen Einflüsse unter einen Hut zu kriegen.
Gibt es auch deutsche Künstler, an denen Du Dich orientierst?
Fischer: Natürlich schaue ich, ob es da Bezugspunkte gibt. Das ist aber auch ein Problem. Wenn man einmal von der deutschen Presse gelobt wird, so wie das bei Personare der Fall war, dann versucht man oft, daran anzuschließen. Und mit dieser Herangehensweise habe ich eine Menge Zeit verschwendet. Erst dann habe ich erkannt: Es bringt nichts, wenn man sich selber noch einmal kopiert.
Gibt es für Dich trotzdem so etwas wie ein deutsches Selbstverständnis bei Deiner Musik?
Fischer: Mitterweile ja, das ist ganz witzig. Denn die Schweden, mit denen ich jetzt am neuen Album gearbeitet habe, sind alle riesige Deutschland-Fans. Produzent Patrick Berger hätte sich als Teenager beinahe «Autobahn» auf den Arm tätowieren lassen, weil er von Kraftwerk so begeistert war. Und ich habe eigentlich erst durch die Schweden diese urdeutschen Sachen wie Krautrock so richtig gut kennen gelernt. So ist dann auch All Night All Day entstanden, wo ich auch auf Deutsch singe. Deutsch und Englisch zu mischen, fand ich eigentlich immer total uncool. Aber die Schweden sagten dann: Wieso? Du kommst doch aus Deutschland? Damit kannst Du auch Stellung beziehen zu Deiner Heimat. Und sie hatten Recht: Letztlich ist All Night All Day ein Lied geworden, das unbedingt auf die Platte drauf musste.
Bigger than now – dieses Stück auf der Rollng Stone Compilation klingt ziemlich nach Brit Pop. Z. Bsp. the Lightning Seeds und ist ein ziemlicher Ohrwurm. Hier passt eigentlch alles: der Interpret zum Lied. Ich bin eigentlich eher Fan von nicht so populären Gitarren Bands wie „the Only Ones“ oder die grandiosen House of Love.