Interview mit Shout Out Louds

Astronomie ist eines der wichtigsten Themen auf der neuen Platte der Shout Out Louds. Foto: Shout Out Louds/Frode & Marcus
Astronomie ist eines der wichtigsten Themen auf der neuen Platte der Shout Out Louds. Foto: Shout Out Louds/Frode & Marcus

Dear English speaking fans! An English version of this Interview with Bebban Stenborg is available here.

Viel höflicher könnte Bebban Stenborg in diesem Gespräch nicht mehr sein. Als sie ein paar Mal meine Frage nicht gleich richtig hört (was wahrscheinlich an meinem Telefon liegt), entschuldigt sie sich tausendfach, unter anderem mit dem Argument, sie sei „sowieso so gut wie taub“. Als sie etwas Gemeines über Per Gessle (Roxette) sagt, fügt sie sogleich hinzu, sie habe dieses Gerücht nur gehört, kenne den Herrn nicht persönlich und könne immerhin einige seiner alten Songs ganz gut leiden. Und sogar mein blödes Spiel am Ende des Interviews macht sie bereitwillig mit.

Natürlich reden wir aber auch über Optica, das neue Album der Shout Out Louds, das morgen erscheint. Bebban Stenborg verrät, was die Apokalypse damit zu tun hat, ob sie neidisch auf Lykke Li ist und ob sie sich Shout Out Louds auch noch in zehn Jahren vorstellen kann.

Shout Out Louds feiern in diesem Jahr ihren zehnten Geburtstag. Wird es eine große Party geben?

Stenborg: Ja, ich denke schon. Wir haben zwar noch nichts Genaues geplant. Aber das neue Album kommt zuerst in Deutschland auf den Markt. Ich denke deshalb, dass wir eine Party in Berlin schmeißen und alle einladen werden.

Wenn du auf die zehn Jahre in der Band zurückblickst: Was war der schönste Moment?

Stenborg: Das erste Mal beim Coachella-Festival. Das war 2005, und ich war wirklich stolz, dass wir es so weit gebracht hatten. Palmen und Sonnenschein rundum – das hat Spaß gemacht.

Die meisten Bands schaffen es nicht bis zu ihrem 10. Jubiläum. Gab es auch bei den Shout Out Louds mal einen Moment, in dem ihr euch beinahe aufgelöst hättet?

Stenborg: Wir hatten eine Krise nach der Tour zum ersten Album. Wir waren alle so unglaublich müde. Wir haben unser letztes Konzert in Brasilien gespielt, und niemand hat danach die Frage gestellt, wann wir uns wieder treffen, damit es weitergeht. Vielleicht hätte das das Ende der Band sein können. Aber letztlich waren wir alle bloß vollkommen ausgelaugt und brauchten eine Pause.

Dann lass uns doch ein wenig über die Gegenwart reden. Das neue Album Optica habt ihr ganz in Eigenregie gemacht. Ist man da nicht ein bisschen unsicher, ob es wirklich gut ist, wenn man keine Bestätigung oder Kritik von außen bekommt? Hast du, seit die Platte im Kasten ist, schon einmal den Wunsch verspürt, einen Song noch einmal zu überarbeiten?

Stenborg: Das ist wirklich ein schwieriges Problem. Es gibt ja immer Sachen, die man noch ändern kann. Normalerweise merken wir das erst eine ganze Weile nach den Aufnahmen, wenn wir auf Tour gehen und die Songs dann live verändern. Da bauen wir kleine Verbesserungen ein, das passiert einfach. Aber diesmal ist es anders. Wir haben uns richtig viel Zeit gelassen und wirklich intensiv an der Platte gearbeitet. Wir haben alle Fehler schon gemacht und sie dann ausgebessert. Das alles hat zwei Jahre lang gedauert, aber jetzt sind wir sehr glücklich mit dem Ergebnis. Es ist wirklich das erste Mal, dass ich nicht im Nachhinein noch etwas verbessern möchte.

Das Leitmotiv von Optica ist Licht. Eigentlich erstaunlich: Ihr habt in einem Keller in Stockholm aufgenommen – nicht unbedingt die erste Assoziation, die man beim Wort „Licht“ hat. Die Songs für das letzte Album Work hat Adam in Australien geschrieben – da hätte dieses Thema doch viel besser gepasst.

Stenborg: Diese ganze Sache mit Australien wird ein bisschen überbewertet. Adam war da, während die Band pausiert hat, und hat ein paar Sachen geschrieben. Aber den Hauptteil der Arbeit haben wir gemeinsam gemacht, im Studio in Seattle. Abgesehen davon ist Licht ein sehr passendes Thema für die neue Platte. Manchmal muss etwas erst weg sein, damit man erkennt, wie wichtig es ist. Genau das ist in diesem Keller passiert. Es gab keine Fenster, man konnte nicht einmal sehen, was draußen für eine Jahreszeit ist. Das Licht erfüllte deshalb unsere Gedanken – weil es im Studio fehlte.

Ihr wart also eingeschlossen wie in einer Zeitkapsel?

Stenborg: Genau.

Wenn ihr das Album Optica nennt und über Reflexionen, Lichtbrechungen und Astronomie singt, wart ihr bestimmt alle sehr eifrige Schüler in Physik, oder?

Stenborg (lacht): Nein, ich glaube nicht, dass irgendjemand in der Band ein besonderes Faible für die naturwissenschaftlichen Fächer hatte. Aber viele von uns, auf jeden Fall Adam und ich, haben nach der Schule ein Interesse an physikalischen Phänomenen entwickelt.

Bebban Stenborg ist mit „Optica“ rundum zufrieden. Foto: Shout Out Louds

Optik ist trotzdem ein ziemlich ungewöhnliches Thema für eine Pop-Platte.

Stenborg: Vielleicht. Das Album basiert lose auf allem, was mit Licht zu tun hat. Das meint aber nicht nur die wissenschaftliche Seite, sondern wir haben Licht als eine Art Richtschnur betrachtet: Licht als physikalisches Phänomen, aber auch als Quelle allen Lebens. Und noch mehr den poetischen Aspekt. Wie kann der Lichteinfall einen Gegenstand verändern? Wie beeinflusst Licht unsere Stimmung? Wir reden sehr viel über solche Fragen, und wir kommunizieren oft mit visuellen Begriffen, wenn wir unsere Musik umschreiben. Im Studio sagen wir manchmal Sätze wie: Ich will, dass das mehr nach Nachmittag klingt.

Auf dem Cover von Optica ist die Silhouette eines Mädchens zu sehen. Wer ist das – und was ist die Idee dahinter?

Stenborg: Solche Fragen sind eher die Baustelle von Adam und Carl. Aber ich denke, die Idee ist es, mithilfe von Licht bestimmte Formen auf einen Körper zu projizieren. Es ging bei dem Mädchen darum, eine symmetrische Figur zu finden. Es sollte nicht erkennbar sein, wer das ist.

Wenn du die Zukunft der Musik betrachtest, die Zukunft der Welt und die Zukunft deiner Band – welche davon ist am hoffnungsvollsten?

Stenborg: Wahrscheinlich die Zukunft der Musik.

Wow, das überrascht mich.

Stenborg: Ja. Mir wäre auch lieber, wenn es die Zukunft der Welt wäre. Aber wenn ich mich jetzt für eine der drei Möglichkeiten entscheiden müsste, wäre es die Zukunft der Musik. Ich denke, dass sich die Branche gerade wieder ein bisschen berappelt. Alles war so kompliziert und chaotisch in den letzten Jahren, die ganze Download-Sache hat da finanziell alles auf den Kopf gestellt. Aber nach allem, was ich höre, finden die Plattenfirmen jetzt wieder festen Boden unter den Füßen.

Ihr wart mit Bands wie den Strokes oder Kings of Leon auf Tour, die jetzt Megastars sind. Lykke Li hat auf einer euren Platten mal im Hintergrund gesungen – und jetzt hatte sie eine der erfolgreichsten Singles des Jahres in Deutschland. Wirst du da ein bisschen neidisch? Vergleicht ihr euren Erfolg mit solchen Künstlern?

Stenborg: Manchmal denke ich wirklich, dass es schön wäre, wenn wir finanziell ein bisschen besser dastünden. Vor allem aus praktischen Gründen. Wenn man von einer Tournee kommt und dann sagen könnte: „Jetzt leiste ich mir erst einmal einen Urlaub“ – das wäre schon schön. Weil wir jetzt schon so lange im Geschäft sind, denken viele Leute, wir wären reich und würden ganz luxuriös durch die Welt reisen. Aber wir haben uns eben eher langsam entwickelt, und ich denke, das hat uns gut getan. Wir sind ganz gemächlich gewachsen, und deshalb gibt es uns noch. Wenn wir Senkrechtstarter gewesen wären wie Lykke Li, die praktisch aus dem Nichts kam und dann ganz schnell riesig groß wurde, hätten wir damit vielleicht gar nicht umgehen können. Wir sind ja zu fünft, und wir sind Freunde. Ich denke, wir sind alle ziemlich zufrieden damit, wie es gelaufen ist.

Okay, zum Schluss würde ich gerne noch ein kleines Assoziationsspiel spielen. Die Idee: Shout Out Louds werden zehn Jahre alt, und „Shout Out Louds“ sind drei Wörter. Deshalb nenne ich zehn Stichwörter, und du antwortest mit höchstens drei Wörtern. Einverstanden?

Stenborg (zögerlich): Versuchen wir es.

Erstes Thema: Shout Out Louds im Jahr 2023.

Stenborg: Scheint schwer vorstellbar.

Null Punkte für Schweden beim Eurovision 2013.

Stenborg: Ist mir egal.

Weil Astromonie auf Optica ja so ein wichtiges Thema ist: der schönste Nachthimmel, den du je gesehen hast?

Stenborg: War in Kenia.

Und der schönste Sonnenuntergang?

Stenborg: Pacific Coast Highway.

Die drei wichtigsten Einflüsse für Optica.

Stenborg: Kometen. Sonnenlicht. Apokalypse.

Drei Acts, die man 2013 im Auge behalten sollte.

Stenborg: Solange. Ducktails. David Bowie.

Wir sind schon bei Nummer sieben angekommen: Videodrehs.

Stenborg: Chaotisch und lustig.

Das Comeback von Gyllene Tider?

Stenborg: Nichts für mich.

Die Aussicht, im Frühjahr 27 Konzerte innerhalb von nur acht Wochen zu spielen.

Stenborg: Ist echt aufregend.

Okay, das letzte Stichwort: Zlatan Ibrahimovic.

Stenborg: König von Schweden.

Das hat Spaß gemacht, du hast dich echt gut geschlagen. Danke für das Gespräch!

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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