Film | Intimacy | |
Produktionsland | Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien | |
Jahr | 2001 | |
Spielzeit | 117 Minuten | |
Regie | Patrice Chéreau | |
Hauptdarsteller | Mark Rylance, Kerry Fox, Timothy Spall, Marianne Faithfull | |
Bewertung |
Worum geht’s?
Jay war einmal ein aufstrebender Musiker, später ein zuverlässiger Familienvater. Dann hat er Frau und Kinder einfach sitzen lassen, aus einer Laune heraus. Jetzt arbeitet er als Barmann und sein Leben ist genauso verwahrlost wie seine Wohnung. In eben diese Wohnung kommt indes an jedem Mittwoch eine Frau, die er zufällig getroffen hat, und schläft mit ihm. Sie wissen voneinander nicht einmal die Namen, aber der Sex einmal pro Woche wird zu einem wichtigen Teil ihres Lebens, der gerade aus dieser Anonymität einen beträchtlichen Teil seines Reizes bezieht. Eines Tages will Jay dennoch mehr wissen über die Frau, der er in diesen Stunden so nahe ist und die in den restlichen Stunden der Woche fast nicht zu existieren scheint. Er folgt ihr und stellt fest, dass sie eine Theaterschauspielerin namens Claire ist. Ausgerechnet ihren nichts ahnenden Ehemann, den er nach der Vorstellung trifft, nutzt Jay dann als Quelle, um mehr über ihr Leben in Erfahrung zu bringen. Damit setzt er nicht nur Claires Ehe aufs Spiel, sondern auch das Funktionieren seiner eigenen Schäferstündchen mit Claire.
Das sagt shitesite:
Sehr viel Aufhebens wurde um die freizügigen Sexszenen in Intimacy gemacht. Das verwundert ein wenig, schließlich hat man Ähnliches durchaus auch im (europäischen) Mainstream-Kino durchaus schon gesehen. Was hier vielmehr auffällt, ist zweierlei: Zum einen ist es die Beiläufigkeit, mit dem sich Jay und Claire zum Geschlechtsverkehr treffen, als ob es eine Runde Squash wäre oder eine gemeinsame Fahrstunde. Diese völlige Abwesenheit von Überhöhung des eigentlichen Aktes befremdet nur kurz, denn schnell wird klar, dass darin ein großer Teil des Reizes für beide liegt. Keine Namen, keine Versprechungen, keine Eitelkeit – dieses Prinzip macht die Treffen nicht nur unkompliziert, sondern tut auch dem Sex gut.
Zum anderen fehlt gerade dadurch das Element, das sonst bei leidenschaftlichen Bettszenen im Kino dominiert: Es gibt hier zunächst kein Verzehren und Begehren, kein „Ich kann ohne dich nicht leben“, keine Eifersucht und keine Romantik – und dass all dies fehlt, lässt das, was sich dieser Mann und diese Frau dennoch gegenseitig zu geben haben, umso intensiver erscheinen. Offenkundig schätzen beide genau die Tatsache, dass ihre Begegnungen auf einen festen Termin beschränkt sind, mit einem festen Ablauf, in dem das Vorher und Nachher keine Rolle spielt, was dennoch ein beträchtliches Maß an gegenseitigem Vertrauen erfordert. Nicht zuletzt ist ungewöhnlich, dass Intimacy nicht auf Hochglanz-Erotik setzt, sondern (oft mit der Handkamera) zwei normal attraktive Menschen mit einem normalen Leben beim Sex filmt.
Zu diesem Aspekt gehört auch, dass Jay und Claire ein Stück zu alt sind, um dem Taumel der Hormone zu erliegen, auch zu alt und zu enttäuscht vom Leben, um sich noch naive Hoffnungen auf Glück zu machen. Routine dominiert das Leben dieser beiden erwachsenen Menschen, sodass für Begehren kaum Platz bleibt: Für Claire gibt es viel Verantwortung, aber wenig Unbekümmertheit, für Jay gibt es viel Freiheit, aber wenig Nähe. Er gefällt sich zwar im Klischee des einsamen Wolfs und prahlt sogar gegenüber einem Freund und einem Kollegen mit dem so unverbindlichen und erfüllenden Arrangement. Doch er erkennt nach und nach, dass es ihm viel mehr bedeutet, als er sich eingestehen will.
Sein Drang, den Quellen seines Interesses an Claire auf den Grund zu gehen, stört letztlich das fragile Gleichgewicht der Mittwochs-Schäferstündchen. „Vielleicht ist der einzige Unterschied zwischen ihr und den anderen, dass sie nichts von dir verlangt“, sagt ein Kollege zu ihm, doch Regisseur Patrice Chéreau legt auch den Verdacht nahe, dass Jay eben doch mehr will als Orgasmen ohne Verantwortung, auch von Donnerstag bis Dienstag: Er will Nähe, er will erkannt werden, er will Verlässlichkeit. Ein Widerspruch zur Ausgangssituation ist das nur auf den ersten Blick: Intimacy ist ein Plädoyer dafür, sich selbst und die eigenen Sehnsüchte zu erkennen.
Bestes Zitat:
„Es kommt nicht oft vor, dass man jemanden trifft, der das Gleiche will wie man selbst.“
Der Trailer zum Film.
https://www.youtube.com/watch?v=2_5UbARIQZo