Künstler | Iron & Wine | |
Album | Beast Epic | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
„God is in the treetop making mockingbirds“, singt Sam Beam alias Iron & Wine in Right For Sky, dem drittletzten Lied auf diesem am Freitag erscheinenden Album. Es ist eine sehr bezeichnende Zeile für Beast Epic. Zum einen verweist die Sache mit den frisch erschaffenen Spottdrosseln auf den Titel der Platte. Beast Epic heißt zu deutsch nichts anderes als Fabel. „Um ehrlich zu sein, habe ich diesen Titel einfach gewählt, weil er verdammt cool klingt. Andererseits klingt die Definition ‚eine Geschichte, in der Tiere sprechen können und sich wie Menschen verhalten‘ für mich wie eine ziemlich treffende Umschreibung für unser aller Leben. Wenigstens aber wie eine perfekte Beschreibung für irgendeine Sammlung von Liedern, die ich bisher zu machen versucht habe“, sagt Sam Beam.
Zum anderen zeigt die Songzeile eine seiner größten Stärken: Es ist ein verzückter Blick auf die Welt, der Zeilen wie diese und einen Song, der entsprechend verträumt und selig klingt, erst möglich macht. Diese Stärke stellt er auf seinem sechsten Album, das weitgehend live und fast ohne Overdubs in The Loft in Chicago aufgenommen wurde, wieder mehr in den Vordergrund. Summer Clouds zeigt das auf zarte, romantische und sehr schöne Weise. Call It Dreaming packt das Angebot „With all the love you left behind / you can have mine“ in ein virtuoses Folk-Arrangement mit zauberhaftem Harmoniegesang, sanftem Schlagzeug und einer sehr unternehmungslustigen Akustikgitarre. Bitter Truth blickt zurück auf das Ende einer Beziehung, und zwar ohne Reue.
„Es gibt eine gewisse Verwandtschaft zwischen dieser Sammlung von Songs und meinen frühesten Aufnahmen“, hat Sam Beam festgestellt. Ähnlichkeiten sieht er vor allem zu dem „reflektierten und bekenntnishaften Songwriting“ seiner ersten beiden Iron & Wine-Alben The Creek Drank The Cradle (2002) und Our Endless Numbered Days (2004). Zugleich ist ihm klar, wie viel Erfahrung seitdem hinzugekommen ist. „Im Verlauf der Jahre habe ich mit verschiedenen Genres, Klängen und Songwriting-Ansätzen experimentiert. All diese Eindrücke sind hier erkennbar, im Gefühl und in den Arrangements der Lieder. Aber die Muskeln scheinen sich ein bisschen entspannt zu haben. Sie dürfen jetzt einfach ganz ungezwungen das tun, was sie am besten können“, ist seine Wahrnehmung von Beast Epic.
Es fällt nicht schwer, dafür Belege zu finden. Thomas County Law lässt an Simon & Garfunkel denken, nicht nur im Sound, sondern auch in seiner sehr hübschen Alltagspoesie, beispielsweise der Zeile „Nobody looks away when the sun goes down.“ Der Album-Auftakt Claim Your Ghost lässt einer leicht verkaterten Wehmut wie bei Ryan Adams viel Raum. The Truest Stars We Know ist noch etwas reduzierter als der Rest des Albums und rückt auch wegen des hingehauchten Gesangs in die Nähe von Nick Drake. Bei so viel Einfühlungsvermögen, wie es in Our Light Miles zu finden ist, könnte im Vergleich sogar ein Sensibelchen wie William Fitzsimmons wie ein Grobian wirken.
Song In Stone besticht mit einer großen Wärme, feinem Picking und einem Text voller klischeefreier Naturmetaphern, sodass man an Donovan denken kann. Auch mit einem Lied wie About A Bruise, das unter anderem von seinem ungewöhnlichen Rhythmus lebt, hätten Iron & Wine vor 50 Jahre wohl eine Weltkarriere starten können. Last Night ist der ambitionierteste Song auf Beast Epic, der sehr zurückhaltende Gesang passt toll zum hier fast experimentellen Klanggewand mit wenigen Textilstücken von Gitarre, Streichern und Percussions.
„Ich war immer fasziniert von der Art, wie die Zeit sich Geltung veschafft über unsere Körper und unsere Herzen. (…) Ich denke, dass wir uns alle permanent in einem Zustand des Übergangs befinden. Beast Epic ist von dieser Idee getränkt, aber auf andere Weise als meine früheren Platten – einfach, weil ich jedes Mal aus neuen Erfahrungen schöpfen kann, wenn ich mich diesem Thema widme“, beschreibt Sam Beam das Leitmotiv der meisten Songs. Auch sein Fazit über diese wundervolle Platte ist sehr treffend: „It wears both its achievements and its imperfections on its sleeve.“