Künstler | Jack Savoretti | |
Album | Europiana | |
Label | EMI | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Gut 50.000 Exemplare hat Fiona Apple von ihrem aktuellen Album Fetch The Bolt Cutters verkauft. Die Platte wurde vom Guardian zum Album des Jahres 2020 gekürt, auch bei BBC, Mojo, Rolling Stone oder New York Times stand sie weit oben in den Bestenlisten. Solche Verkaufszahlen steckt Jack Savoretti locker in die Tasche. Sein letztes Album Singing To Strangers (2019) war im UK sein dritter Goldseller in Folge (das bedeutet jeweils mindestens 100.000 verkaufte Einheiten), zudem seine erste Nummer eins in Großbritannien. Insgesamt hat er dort mehr als eine halbe Million Platten abgesetzt, obwohl er praktisch nie in der Auswahl landet, wenn Kritiker ihre Lieblinge der letzten zwölf Monate benennen.
Dass kommerzieller Erfolg und Anerkennung im Feuilleton nicht zusammengehören müssen, ist keine Neuigkeit. Die Geringschätzung der Kritiker für den 37-Jährigen überrascht auch nicht komplett, hört man das gestern erschienene Europiana. Sein siebtes Studioalbum beginnt mit I Remember Us, das schmerzende Erinnerungen mit aktuellen Treueschwüren kombiniert, begleitet von sanftem Klavier, Streichern und einem Kinderchor. Man kann das Romantik nennen, aber auch Kitsch. Am Ende der Platte steht War Of Words, das vollkommen überambitioniert wirkt, sowohl im Anspruch des Sängers auf die Rolle als philosophischer Ratgeber als auch im Arrangement, das (wieder mitsamt Kinderchor) ganz laut „große Ballade“ schreit.
Zugleich machen die elf Lieder („Europiana ist kein Sound. Es sind Referenzen und Inspirationen und die Emotionen, die sie hervorrufen. Es ist die Musik aus den Sommern meiner Kindheit, neu gemacht für heute“, sagt Jack Savoretti zum Albumtitel) aber auch klar, worin sein Appeal begründet liegt, und zwar schon bei einer sehr oberflächlichen Betrachtung. Das Albumcover scheint ihn an der Riviera zu zeigen, das Innenfoto im Booklet hingegen einen Whisky im Pub trinkend, und so vermischt er auch diesmal mediterrane Leichtigkeit mit klassischem anglo-amerikanischen Songwriting.
Die drei Gäste auf dieser Platte setzen ebenfalls deutliche Koordinaten. Nile Rodgers (Chic) ist bei Who’s Hurting Who mit von der Partie, der Song vereint eine Wah-Wah-Gitarre und natürlich einen funky Bass mit vielen weiteren sattsam bekannten Bausteinen, hat aber im richtigen Moment auch den nötigen Biss oder eine kleine Überraschung zu bieten. Gizmo Varillas sorgt in Calling Me Back To You für ein bisschen Extra-Exotik, das Ergebnis ist zwar nicht herausragend, aber man hört die Freude am Zusammenspiel der beiden Musiker. John Oates, der in den Achtzigern als eine Hälfte von Hall & Oates die Popwelt mitregierte, wirkt bei When You’re Lonely mit. Diese Zusammenarbeit zeigt: Die Stimme von Jack Savoretti kann einen gewöhnlichen Song zwar nicht komplett retten, aber zumindest phasenweise interessant machen.
Als Produzenten sind diesmal Cam Blackwood (George Ezra, Florence & The Machine) und Mark Ralph (Jess Glynne, Years & Years, Jax Jones) am Werk, aufgenommen wurde Europiana in den Abbey Road Studios. Deren Aura scheint vor allem auf The Way You Say Goodbye abgefärbt zu haben, das vergleichsweise erwachsen und sehr solide wird. Dem gegenüber stehen Songs wie Secret Life, das einen Hauch von Italo Disco verbreitet, das leichtfüßige und eingängige Too Much History oder Dancing In The Living Room, das man sich wie Jamiroquai mit Blues-Stimme vorstellen kann.
Einiges davon klingt nach Dienstleistung fürs Radio, aber dass die beiden Songs auf Europiana, die Jack Savoretti ganz alleine geschrieben hat, tatsächlich am meisten Charakter haben, kann man ihm durchaus zugute halten. Bei Each And Every Moment könnte man nicht nur wegen des Saxofons glauben, Bruce Springsteen hätte sich ins Studio 54 verirrt. More Than Ever zeigt: Es klingt einfach gut, wenn er – zunächst fast nur vom Klavier begleitet – sein Herz ausschüttet. Womöglich ist das der sehr simple Schlüssel, um den Erfolg von Jack Savoretti zu erklären: Er liegt vielleicht in seiner Entschlossenheit begründet, einfach schöne Lieder zu machen.