Künstler*in | Jack White | |
Album | Fear Of The Dawn | |
Label | Third Man Records | |
Erscheinungsjahr | 2022 | |
Bewertung |
Ein bisschen verschroben ist das schon. Jack White tut auf der einen Seite alles, um seinen Sound aus Gitarre, Schlagzeug und Bass innovativ und aufregend klingen zu lassen. Es ist Musik, die – wie schon bei The White Stripes, The Raconteurs und The Dead Weather, wo er ebenfalls in führender Rolle aktiv war – im Kern auf Blues basiert, also grob geschätzt 100 Jahre alt ist. Trotzdem ist er felsenfest davon überzeugt, dass sie weiterhin aufregend, kraftvoll und relevant sein kann. Auf der anderen Seite verweigert er sich weiterhin hartnäckig modernen Aufnahmetechniken, die doch erheblich dazu beitragen könnten, seine Ideen zu bereichern und ihm noch mehr kreative Möglichkeiten zu eröffnen.
Auf seinem vierten Soloalbum Fear Of The Dawn fällt dieser Widerspruch besonders ins Gewicht. Denn die zwölf Lieder – wieder aufgenommen in seinem Third-Man-Refugium in Nashville – zeigen ein Problem, das ihn als Einzelkämpfer schon lange begleitet: So erfolgreich er ist (bisher erreichten all seine Soloalben die Spitze der US-Charts) und so markant sein Sound ist (auch hier erkennt man sofort die Jack-White-DNA, nicht nur durch die Stimme, sondern auch durch seine Gitarrenarbeit), so wenig ist er in der Lage, stimmige Songs zu schreiben. Auch der Nachfolger von Boarding House Reach (2018) ist letztlich eine Ansammlung von Ideen und vor allem von Riffs, die zwar irgendwie gruppiert, aber kaum sinnvoll verbunden werden.
Die Single Taking Me Back als Auftakt des Albums ist ein eindrucksvolles Brett und strebt nach monströser Größe, wie man sie von Muse oder Audioslave kennt, all die Verzierungen rund um das zentrale Riff sind aber letztlich eher eitel als dass sie die Wirkung des Lieds verstärken würden. Der folgende Titelsong reiht sich irgendwo zwischen Stoner Rock und Seventies-Heaviness ein. The White Raven stellt einem hysterischen Gesang ein paar Synthesizer und reichlich verfremdete Saiteninstrumente zur Seite. Hi-De-Ho fährt gar Rapper Q-Tip (A Tribe Called Quest) als Gast auf, bleibt dabei aber vollkommen wirr.
So geht es auch in den weiteren Tracks von Fear Of The Dawn weiter. Manchmal gibt es solides Herumgerocke, wobei das besonders aggressive What’s The Trick und das ausgelassene That Was Then (This Is Now) am ehesten zu gefallen wissen. Manchmal kann man sich nur wundern über Stücke wie Eosophobia, das Dub mit Queen-Bombast und dem Frickeligen von Paul McCartney & The Wings zu vermählen versucht und dann auch noch einmal als völlig überflüssige Reprise auftaucht. Into The Twilight entspringt irgendwo zwischen J-Pop und Funk-Rock, Morning, Moon, And Night kombiniert einen (hoffentlich) absichtlich naiven Bubblegum-Text mit altmodischer Psychedelik im Stile der Moody Blues. Der Album-Abschluss Shedding My Velvet ist exemplarisch: Es gibt einen mächtigen HipHop-Beat, eine gefühlvolle Bluesgitarre und ein schweres Klavier, aber es bleibt völlig unklar, was diese Elemente miteinander zu tun haben sollten.
Jack White wirkt auch auf Fear Of The Dawn, als wolle er neben seinen weiterhin beeindruckenden Gitarrenkünsten unbedingt auch etwas anderes beweisen. Seine Botschaft scheint zu lauten: Den Effekt, ein Lied bestehe aus lauter Puzzlestücken, kann man auch ohne Computer erreichen. Er vergisst dabei allerdings, worin die große Songwriting-Kunst doch eigentlich besteht. Nämlich nicht nur darin, möglichst glanzvolle Puzzlestücke zu bauen, sondern gerade in dem, was zwischen ihnen ist: eleganter Kitt, gekonnte Lücken, eine alles tragende Atmosphäre. All das fehlt hier.
Schon für den 22. Juli hat Jack White sein nächstes Album angekündigt, auf Entering Heaven Alive soll es dann Folk statt Rock geben. Die Möglichkeiten, Schwächen in der Komposition mit Effekten und Kraftmeierei zu übertünchen, dürften in diesem Genre sehr gering sein. Man darf also mächtig gespannt sein.