Künstler*in | Jade Bird | |
Album | Different Kinds Of Light | |
Label | Glassnote | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Die Idee ist reizvoll, vielleicht sogar überfällig. Die 23-jährige Jade Bird, aufgewachsen in Großbritannien und mittlerweile in Austin lebend, vereint auf ihrem zweiten Album die Einflüsse von Britpop mit der großen Musikalität der US-Südstaaten. Sie nennt Blur und Oasis als wichtige Einflüsse für das morgen erscheinende Different Kinds Of Light und hat die meisten Passagen mit Produzent Dave Cobb (John Prine, Lady Gaga) den RCA-Studios in Nashville aufgenommen.
Ein noch wichtigerer Faktor waren indes die „verschiedene Arten von Klarheit“, die sie seit ihrem selbstbetitelten Debüt 2019 gewonnen hat, sowohl durch viele Reisen und Aufenthalte beispielsweise in Japan und Mexiko als auch durch eine künstlerische Weiterentwicklung: „Wenn man jung ist, erlebt man ein Gefühlschaos und versucht verzweifelt, das zu Papier zu bringen. Aber wenn man älter ist, arbeitet man klarer heraus, was einen bewegt hat und warum. Es ist erstaunlich, was zwei Jahre bewirken können: Es ist, als würde man schreiben, während man sieht, anstatt zu schreiben, um zu sehen.“
All das kann man dem Album sehr genau anhören. Honeymoon ist einer von etlichen sehr Beat-betonten Songs der Platte und hat darin eine Direktheit, die etwa an Oasis zur Roll With It-Zeit erinnert. 1994 scheint im Sound beispielsweise von Blurs Coffee And TV inspiriert zu sein. Trick Minor kombiniert eine entschlossene Snare-Drum mit einer stilechten Smiths-Gitarre. Dem stehen Songs gegenüber wie das auch durch ein Mellotron sehr stimmungsvolle Houdini oder das nicht nur im Titel deutlich amerikanische Red White And Blue, das fast nur aus akustischer Gitarre und dem Gesang von Jade Bird besteht und sich in der Nähe von Jewel verorten ließe. Auch Prototype ist eher von Folk geprägt und klingt – wie das gesamte Album – erstaunlich erwachsen.
„In seiner einfachsten Form handelt Different Kinds Of Light vom Verlieben und in seiner komplexesten Form vom Chaos des Versuchs, seiner Vergangenheit zu entkommen. Ich habe über fiktive Charaktere geschrieben, über mich selbst und Menschen, die nicht existieren oder zumindest nur in meinem Kopf, meiner Erinnerung und meiner Vorstellung“, sagt die Künstlerin. Der Titelsong gehört zu den Höhepunkten, er steht sehr souverän auf einem Fundament aus Schönheit, will dann kurz in Richtung Pomp abbiegen, kehrt aber doch wieder zu Intimität zurück. Das klingt tief und reflektiert, ohne satt oder geruhsam zu sein – auch, weil im Gesang stets ein Hauch von Aufruhr zu erkennen ist.
Das gilt auch für Candidate, das so viel Einsatz und Leidenschaft offenbart, dass man ein paar Gene von Alanis Morissette darin zu erkennen meint, für Rely On, wo die herbe Stimme von Jade Bird wunderbar zur Atmosphäre passt, oder für den rhythmisch verspielten Bonustrack Headstart mit seinem sehr überzeugenden Refrain. Ein Song wie Now Is The Time hätte mit seiner Ausgelassenheit („Es ist eine große Motivationshymne für jemanden, den ich in der dunkelsten Zeit in den Arm nehmen oder hochheben möchte“, erklärt Jade Bird) und seinem Ideenreichtum sehr gut zu Sheryl Crow gepasst.
Allerdings funktionieren diese vergleichsweise rockigen Arrangements nicht immer wirklich gut, manchmal lassen sie die Different Kinds Of Light etwas gezwungen erscheinen (wie in I’m Getting Lost, wo die strahlende Stimme auf einen verzerrten Bass trifft) oder altbacken wie in Open Up The Heavens, das kraftvoll und energisch im Stile von beispielsweise Melissa Etheridge wird. Auch Punchline ist so ein Moment: Die Komposition ist grundsolide, der Sound geht in die Beine, aber vor lauter Druck und Lautstärke geht das Subtile verloren – und auch ein bisschen die Individualität von Jade Bird.