Japanese Breakfast – „Soft Sounds From Another Planet“

Künstler Japanese Breakfast

Soft Sounds From Another Planet Japanese Breakfast Kritik Rezension
Hin zum Licht geht es auf dem zweiten Album von Japanese Breakfast.
Album Soft Sounds From Another Planet
Label Dead Oceans
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

„I want to be a woman of regimen“, sind die ersten Zeilen, die Michelle Zauner alias Japanese Breakfast auf dieser Platte singt. Das Lied dazu, Diving Woman, vereint gewagte Synthies mit schlichtem Gitarrenpicking und einem eleganten Bass, zeigt aber ausgerechnet im Refrain auch Lust auf Dissonanzen. Besagte Anfangszeile ist Programm: Ihr Solo-Debütalbum Psychopomp (2016) hatte die Sängerin aus Brooklyn unmittelbar nach dem Tod ihrer Mutter geschrieben, als Trauerarbeit. Eigentlich wollte sie danach komplett mit dem Musikmachen aufhören. Doch nun hat sie auch den nächsten Schritt in Form eines Albums dokumentiert: Soft Sounds From Another Planet handelt vom Aufraffen, vom Zurückgewinnen der Hoffnung.

„Der Titel spielt auf das Versprechen von etwas an, das vielleicht existiert, vielleicht aber auch nicht. Die Lieder handeln von der Widerstandsfähigkeit der Menschen und der Kraft, die man braucht, um aus dem dunkelsten aller Orte herauszukriechen“, sagt Michelle Zauner. Es geht um die Suche nach Heilung, notfalls in entfernten Galaxien oder in Science Fiction: „Das All ist ein Ort der Fantasie. Ich habe dieses Motiv als eine Möglichkeit genutzt, mich von einem Trauma loszusagen.“ Produziert wurden die Soft Sounds From Another Planet von Craig Hendrix (mit ihm arbeitete sie auch schon beim Debüt ihrer ehemaligen Band Little Big League zusammen) den Mix hat Jorge Elbrecht (Ariel Pink, Tamaryn) übernommen.

Der Sound ist vielseitig, auch üppiger als auf dem Debüt von Japanese Breakfast, er reicht vom akustischen und wie selbstvergessenen This House über das geheimnisvolle Jimmy Fallon Big bis hin zu 12 Steps, in dem etwas Riot-Grrrl-Attitüde steckt und obendrein ein Gitarrensolo, das dem Kopf von Noel Gallagher entsprungen sein könnte. Die sehr eingängige Single Machinist handelt von einer Frau, die sich in eine Maschine verliebt. „Das ist pure Fiktion, aber es lässt sich auf echte Beziehungen übertragen und behält dabei seine Aussagekraft“, sagt Zauner, und wählt als musikalische Mittel dazu einen Eighties-Beat und Autotune, zum Abschluss gar ein Saxofonsolo.

Road Head erzählt von einem Blowjob im Auto als letzter Versuch, eine kaputte Beziehung zu revitalisieren, zu einem ätherischen Sound, der von Shoegaze geprägt zu sein scheint. Der Titelsong Soft Sounds From Another Planet beginnt mit einer Orgel und einem doppelten Vorwurf („I thought I could keep you from abusing yourself for no reason at all“) und rückt dann in die Nähe von Countryrock mit Walzertakt und Slide-Gitarre. Boyish könnte man sich mit seinem sehr opulenten Arrangement und der herrlich wehmütigen Atmosphäre als Spätwerk von Sheryl Crow vorstellen.

Zwei Songs ragen unter vielen guten Liedern noch heraus. Body Is A Blade, das sie als Verneigung vor Vorbildern wie Elliott Smith und Mount Eerie sieht, behandelt die Beharrungskräfte des Lebens, die pure Sturheit eines Organismus. „Your body is a blade that moves / while your brain is writhing“, heißt es darin, wobei eine Synthie-Sequenz den ewigen Kreislauf zu symbolisieren scheint. Till Death gönnt sich beim Blick auf sterbende Helden und die unerbittliche Grausamkeit, die in der Unvermeidbarkeit von Tod und Leid steckt, zunächst etwas Selbstmitleid, wird daraus aber emporgehoben durch den vielleicht schönsten Refrain des Jahres, veredelt von der Trompete von Asher Brooks, am Ende mit einem herben Harmoniegesang, der an Catatonia denken lässt, noch ein Stück wundervoller. Das ist nicht nur eine tolle Entsprechung des Mottos der Soft Sounds From Another Planet, sondern zeigt auch: Die Idee mit dem Weltall funktioniert als Metapher gut, macht aber auch umso klarer, wie persönlich die Lieder von Japanese Breakfast sind und wie viel sich daraus über das Leben hier auf Erden erfahren lässt.

Im Video zu The Body Is A Blade ist die Erinnerung noch präsent, die Hoffnung aber schon erkennbar.

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Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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