Künstler | Jasmin Tabatabai | |
Album | Jagd auf Rehe | |
Label | Jadavi | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Bewertung |
Wer Jasmin Tabatabai 1997 in Bandits gesehen hat, würde sie wohl niemals mit der Musik in Verbindung bringen, die jetzt auf ihrem dritten Soloalbum zu hören ist. Im Film spielt sie Luna, die wegen schweren Raubes im Gefängnis sitzt und auch danach noch eine Neigung zu Gewaltausbrüchen zeigt. Man würde ihr sofort Punk, Hardrock oder auch Gangsta-Rap zutrauen, aber nicht die extrem kultivierten Klänge, die es hier zu hören gibt: Ihre Interpretation von Franz Schuberts Ständchen eröffnet die Platte sanft und behutsam. Die Streicher verweisen auf Klassik, die Bläser auf Jazz, die Stimme auf Chanson – das sind genau die Koordinaten von Jagd auf Rehe.
Dass sie als Schauspielerin auch musikalisches Talent mitbringt, hat sie schon bei Bandits bewiesen (der Soundtrack dazu, der zahlreiche Songs aus ihrer Feder enthielt, ist mit 700.000 verkauften Exemplaren die erfolgreichste Filmmusik eines europäischen Kinofilms), auch für die Inkarnation als Grand Dame gab es für Eine Frau schon 2011 viel Lob und einen Echo. „Es gibt diese Stimmen, die man sofort erkennt, sie haben einfach dieses gewisse Etwas, das sich auf ewig ins akustische Gedächtnis einbrennt“, hat die Süddeutsche Zeitung damals geschrieben.
Neben dieser Stimme ist es auf Jagd auf Rehe (erneut gemeinsam mit dem Schweizer Musiker, Komponist und Produzent David Klein entstanden) die Vielfalt, die aus den 15 Liedern ein Erlebnis macht. Jasmin Tabatabai singt in vier verschiedenen Sprachen und nie wirkt es, als würde sie sich diese Wörter anmaßen, weil man merkt, dass sie ihnen mit Respekt und Bewunderung begegnet. Why entführt Annie Lennox nach Südamerika, La Rose ist eine französische (und sehr sanfte) Version des Songs von Bette Midler, Mein Mann ist verhindert, das auch schon von Marlene Dietrich gesungen wurde, ist ebenso beschwingt wie doppelbödig, Shekare Ahoo singt sie auf Persisch und wird dabei auch von einem traditionellen iranischen Streichinstrument namens Kamanche begleitet, gespielt von Zhubin Kalhor.
Fast schon traditionell nimmt sie sich auch diesmal eines Lieds von Reinhard Mey an, diesmal ist es Männer im Baumarkt. Die Musik findet mit Latin-Klängen eine wunderbare Entsprechung für den fein beobachteten Text und verweist ebenso auf die Lächerlichkeit des Verhaltens, ohne ihre Protagonisten vollends zu diskreditieren. Überraschend sind hingegen die textlichen Vorlagen des himmlischen Schlafen gehen (sie stammt vom Burgschauspieler und Kinderbuchautor Martin Auer) und im assoziativen Zeit für Lyrik, mit dem der Slam-Poet Sebastian 23 zu einem unverstellten, kindlichen Blick auf die Welt einlädt.
A Place For Lovers (Ella Fitzgerald) wird noch eleganter als die anderen Lieder des Albums, Lass mich bei dir sein (Hildegard Knef) ist verführerisch und zugleich souverän, gerade wegen seiner Bereitschaft zur Hingabe. Hey Jude erhält die Klasse und den Charakter des Originals, fügt aber auch Eigenes hinzu, was man bei diesem so häufig gecoverten Beatles-Song erst einmal schaffen muss. Bei Nick Drakes River Man fühlt sich Jasmin Tabatabai wundervoll in die zerbrechliche, magische Atmosphäre der Vorlage ein, und ihre Mitstreiter an den Instrumenten tun es ihr gleich.
Zum Ensemble gehören Olaf Polziehn (Klavier), John Goldsby (Bass), Hans Dekker (Schlagzeug), Bastian Stein (Trompete), Adam Taubitz (Violine) und Basile Auslaender (Cello). Nur zweimal gefallen sie sich zu sehr in ihrer eigenen Virtuosität. Im ausufernden Klaviersolo von Nichts haut mich um ist das so, der ansonsten sehr überzeugenden deutschen Version von Frank Sinatras I Get A Kick Out Of You. Leichtigkeit würde das Thema von Sei mal verliebt (Hildegard Knef/Cole Porter) erfordern, die hier vertretene Version kippt aber etwas zu sehr in Richtung Selbstgefälligkeit. Der Rest ist sehr gelungen, das gilt auch für Anymore, die einzige Eigenkomposition auf Jagd auf Rehe, die ebenfalls zeigt, was der richtige Ort für diese Musik ist: Es kann nur der Salon sein.