Jim Kroft – „Journeys #3“

Künstler Jim Kroft

Jim Kroft Journeys #3 Review Kritik
Nach Griechenland und auf den Balkan führten die „Journeys #3“.
Album Journeys #3
Label Field Recordings
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

„Well I’m walking on hell’s beach“, heißen die ersten Worte auf dieser Platte. Man kann das affektiert finden von einem Menschen, der nach dem Prinzip “one man, one guitar, one camera” seit gut zwei Jahren durch die Welt reist, um Musik und Filme zu machen. Jim Kroft, der aus England kommt und seit 2009 in Berlin lebt, hat allerdings sehr gute Argumente für diese Aussage. Nachdem ihn die ersten beiden Teile seiner Journeys-Reihe nach Asien und Afrika geführt hatten, reiste er im Februar 2016 in einem Van auf die griechischen Inseln und besuchte Flüchtlinge in Lesbos und Idomeni. Er hat dort Kinder sterben sehen, vor den Augen ihrer verzweifelten Eltern, an eben jenem Strand, von dem er nun in Sara, dem Auftakt von Journeys #3, singt.

Der Song schreit ganz laut „Ambition! Bedeutung! Gefühl!“ und wird im Ergebnis ziemlich anstrengend. Man verzeiht das aber schnell angesichts der Dramatik der Entstehungsgeschichte und der Entscheidung von Jim Kroft, mit den gesamten Einnahmen für dieses Album die von ihm gestartete Fundraising-Kampagne “Boat for Sara” zu unterstützen, mit der ein Boot für Rettungshelfer finanziert werden soll.

Es gibt noch ein paar weitere Momente auf Journeys #3, in denen der gute Wille stärker ist als die Qualität des Songs. God Knows Where hat ein Klavier als Basis und klingt wie Crowded House in schlechter Tagesform, House Of Many Colours könnte von Muse sein, wenn sie zwei Ligen tiefer spielen würden, bei When I Meet My Maker ahnt man, wie gerne er das in den späten 1960er Jahren mit Geistesverwandten in San Francisco gesungen hätte. Shadowlands, dessen Text im Polizeigewahrsam in Mazedonien geschrieben wurde, will hymnisch sein, klingt aber bloß halbwegs kompetent.

Wie schon bei den ersten beiden Journeys wird deutlich, dass das Konzept bei Jim Kroft meist stärker ist als seine Klasse als Songwriter. Es fehlt hier auch an Qualitätskontrolle, was allerdings ebenfalls an der Methode des Künstlers liegt: Nach dem Aufenthalt in Griechenland folgten noch Stationen in Mazedonien, Bulgarien, Serbien und Kroatien, auch dort dokumentierte Jim Kroft überall seine Begegnungen mit Flüchtlingen. Die Platte wurde dann, kaum dass er wieder in Berlin war, innerhalb von 48 Stunden aufgenommen. Alles wurde dabei live eingespielt. “Das hat für Unsauberkeiten gesorgt, aber auch eine besondere Energie und Magie erzeugt, die wir eingefangen haben“, sagt der Sänger.

In den besten Momenten ist es genau diese Spontaneität, von der die Songs getragen werden. Despite What Anyone Says ist atmosphärisch gelungen, Like A Human Heart bekommt viel Sixties-Flair, vor allem durch den Harmoniegesang, Borrow It glänzt mit einem sehr schönen Refrain, Try To Reach The Earth würde wunderbar ins Repertoire von Richard Ashcroft passen.

Redemption ist eines von zwei Liedern, in denen das Konzept von Journeys #3 wirklich gut aufgeht: Es ist unmittelbar und ausgelassen, was Jim Kroft sehr gut steht. Das zweite ist Under The Dome Of Night. Geschrieben wurde es nach einem Spaziergang zwischen den Zelten der griechischen Flüchtlingslager im Winter, mit dem Klang des Wehklagens von kranken, frierenden Kindern noch im Ohr. Das daraus entstandene Lied hat viel Tempo und Kraft – hoffen wir, dass das ein gutes Omen ist, um aus dem Strand der Hölle – wo sich die Situation seit der Stippvisite von Jim Kroft noch verschlimmert hat – möglichst bald wieder ein Idyll zu machen.

Das Video zu Sara entstand ebenfalls auf Lesbos.

Website von Jim Kroft.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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