Künstler | Jim Kroft | |
Album | Love In The Face Of Fear | |
Label | Radicalis | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
„I know my attitude disturbs you / and so it should“, singt Jim Kroft im Titelsong von Love In The Face Of Fear gleich zu Beginn des Albums. Ich kann ihn beruhigen: Es ist keineswegs seine Attitüde, die mich stört. Im Gegenteil: Sein an klassischen Songwriter-Idealen geschultes Ethos ist sehr sympathisch, ebenso seine künstlerische Neugier (die Platte ist so etwas wie die Quintessenz seines Journeys-Projekts, für das er exotische Weltregionen bereiste, um dort Inspiration und Geschichten zu finden) und nicht zuletzt der Glaube daran, mit seiner Musik die Welt ein kleines bisschen besser machen zu können. Im Falle des erwähnten Openers erfolgt das mit asiatisch angehauchten Streichern und einem Refrain wie aus einem James-Bond-Film, dazu gibt es den Appell: „Keep loving in the face of fear / keep shouting that you are here / talking about those ideas, loving whether far or near / loving in the face of fear.“ Später gibt es in Yes We Are Still Human noch eine ähnlich deutliche Message: „In my heart I just believe / the way it is is how it must be / yes we are still human, my friend.“ Das scheint zugleich als Makel wie auch als Hoffnungsschimmer empfunden zu werden, in jedem Fall aber als Aufruf, das Vereinende zu suchen statt die Spaltung.
Was mich stattdessen stört, ist nicht ganz leicht zu benennen. Vielleicht ist es einfach die Stimme (die etwa in Really Doesn’t Matter, das von den Anfeindungen erzählt, die er nach seinen Berichten aus griechischen Flüchtlingslagern ertragen musste, ziemlich angestrengt und anstrengend klingt), vielleicht auch etwas so schwer zu Definierendes wie Magie. Ein Lied wie Obstacles verdeutlicht das: Das ist ein handwerklich sehr überzeugender Song, Jim Kroft zeigt sich darin als Reisender, Suchender und vor allem als Romantiker. Das Ergebnis wäre gut von Travis vorstellbar, hätte dann aber ein gewisses Etwas (vielleicht wiederum durch die Stimme), das hier fehlt.
Das ist ein Effekt, den man auf Love In The Face Of Fear, das gemeinsam mit Jonathan Kluth in dessen Studio in Berlin entstanden ist, öfter beobachten kann. Es gibt in den zehn Stücken viele kluge Details, die zeigen, wie liebevoll der nun in Deutschland lebende Schotte mit seinen Liedern umgeht, es gibt genug gute Ideen und schöne Melodien. Meist hat man aber den Eindruck: Die Gestalt, die diese Lieder vermutlich als Ideal im Kopf des Künstlers haben, ist in der Regel deutlich spektakulärer als die hier erreichte Umsetzung. Die Ambition ist bei Jim Kroft stets größer als das Talent.
Bahnhof Friedrichstraße, der beste Moment des Albums, ist dafür ein weiteres Beispiel: Das ist ein richtig guter Song, der hörbar von Coldplay inspiriert wurde, aber einen Hauch zu bemüht wirkt. The Stars Are Falling From The Sky könnte ein osteuropäischer Beitrag zum Eurovision Song Contest sein, in Not In My Name dreht Jim Kroft das große Rad von Existenzialismus bis Religion und landet irgendwo in der Nähe von Hurts. Beyond The Fire zwingt ihn dazu, sich seiner Zukunft stellen zu müssen, und diese Position scheint ihm nicht sonderlich zu behagen.
Ein weiteres Defizit von Love In The Face Of Fear zeigt das Ende der Platte. Da gibt es zunächst das sehr überzeugende Favorite Kind Of Sinner, das erstaunlich rockig wird und gut zu den Stereophonics passen würde, bevor als letztes Lied Gravity’s Gone erklingt, betont introspektiv und mit Picking auf der akustischen Gitarre beginnt, bis daraus schließlich ein großes, etwas psychedelisches Finale à la Muse entsteht. Nichts gegen Vielseitigkeit, aber die Bandbreite allein zwischen diesen beiden Liedern ist so groß, dass sie dringend eine Klammer bräuchte, die das Album aber nicht zu bieten hat. Abwechslung funktioniert am besten als Varianz um einen Markenkern herum, und die Frage, ob dieser Fixpunkt bei Jim Kraft nun Lagerfeuer-Romantik, Stadionrock oder Pop-Aktivismus sein soll, lässt auch dieses Werk unbeantwortet. Auch die Tatsache, dass er neben seiner Musik auch regelmäßig Dokumentarfilme macht, scheint den Verdacht zu bestätigen: Selbst im Alter von 40 Jahren hat Jim Kroft noch keine musikalische Indentität gefunden.