Jim Ward Daggers Albumkritik

Jim Ward – „Daggers“

Künstler*in Jim Ward

Jim Ward Daggers Review Kritik
Eine gute halbe Stunde nimmt sich Jim Ward für „Daggers“.
Album Daggers
Label Dine Alone
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung Foto oben: (C) Dine Alone Records

Ganz, ganz kurz könnte man meinen, Jim Ward präsentiere auf Daggers dieselbe Art von akustischen Songs, die er seit 2007 auf seinen Solo-EPs gemacht hat (zusammengefasst wurden die drei Veröffentlichungen dann 2011 als Quiet In The Valley, On The Shores The End Begins). Nach ziemlich genau einer Minute verwandelt sich der Opener Day By Day aber in sehr kraftvollen Rock, was im Sound bestens zum hier zu hörenden Appell ans Durchhalten, Aufrechtsein und Standhaftbleiben passt. Ganz eindeutig hat hier jemand seinen Corona-Frust herausgesungen, mit einem konstruktiven Eifer, der auch zu TV Smith passen würde.

Die Pandemie hat Daggers auch noch auf andere Weise beeinflusst. Denn die Zusammenarbeit mit Bassist Ben Kenney (Incubus) und Schlagzeuger Tucker Rule (Thursday) lief vor allem über das Internet. Sie prägen das Album entscheidend mit, besonders deutlich im ambitionierten Polygraph (Attack), das an eine wirre Variante von Live denken lässt, oder Foreign Currency, das mit dem Ziel angetreten zu sein scheint, innerhalb von 263 Sekunden (es ist damit bereits das längste Stück der nur 33 Minuten währenden Platte) ein Grunge-Revival loszutreten.

Natürlich findet man auch ausreichend Bezugspunkte zu den Bands von Jim Ward wie At The Drive-In, die er als 17-Jähriger mitgegründet hat, und vor allem zu Sparta, die im vergangenen Jahr mit Trust The River ihr Comeback gefeiert hatten. Man kann hier die selbe Entschlossenheit entdecken, ergänzend zu deren virtuoser Post-Harcore-Härte aber auch einen viel größeren Fokus auf Melodien. Das toll arrangierte Blink Twice ist das beste Beispiel dafür: Die Strophe zeigt neben viel Wucht und Energie auch Einflüsse von Industrial, der Refrain setzt hingegen voll und ganz auf die Wirkung des hymnischen Gesangs.

In Electric Life scheint die Rhythmussektion von The Clash auf die Melodieführung von U2 zu treffen, I Got A Secret hat neben dem Gastauftritt von Shawna Potter (Sängerin bei War On Women) viel Tempo und Power zu bieten und hätte auf jedes der Alben gepasst, die Aerosmith nach den 1980ern gemacht haben. Auch Paper Fish passt zu diesen Assoziationen: Da liefert der Mann aus Texas nicht direkt peinlichen, aber ziemlich altmodischen Bekenntnis-Rock rund um die Zeile „All I ever wanted was to be a better man.“

Bei Safe Pair Of Hands kippt dieser Ansatz dann doch ins Unangenehme, denn das Lied besteht zu 95 Prozent aus Pathos. Mit Keep On Failure gibt es auch noch eine Quasi-Ballade, die allerdings eher schwer als tief wird. Das Highlight von Daggers ist der Album-Abschluss King Yorself: Das Stück ist eigen, aber packend – damit kommt Jim Ward dem Mix aus komplex und hymnisch, sensibel und heavy, den er für diese Platte wohl durchweg im Sinne hatte, am nächsten.

Zu Paper Fish gibt es ein Lyric Video.

Website von Jim Ward.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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