Künstler*in | Jon Hopkins | |
EP | Piano Versions | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Die Geschichte der gerade veröffentlichten Piano Versions von Jon Hopkins beginnt im Jahr 2013. Damals brachte der preisgekrönte englische Produzent sein viertes Album Immunity heraus. Es bekam genauso positive Kritiken wie seine früheren Werke, unter anderem wurde es als bestes Album des Jahres für den Mercury Prize nominiert. Im Jahr darauf beschloss Hopkins, vier der darauf enthaltenen Stücke noch einmal neu zu interpretieren, ohne Beats und Tanzbarkeit. Daraus wurde 2014 die EP Asleep Versions.
Diese Idee greift er nun wieder auf. Der erste bedeutende Unterschied: Während es auf den Asleep Versions durchaus noch perkussive Elemente und Stimmen gab, ist die neue EP (die am 2. Juli 2021 auch physisch veröffentlicht werden soll) noch weiter reduziert. Alle vier Stücke der Piano Versions sind instrumental, das Klavier ist in der Tat das einzige eingesetzte Instrument. Die zweite Abweichung: Hier handelt es sich nicht um Eigenkompositionen, sondern um Material anderer Künstler, das er neu bearbeitet.
„Es sind vier minimale, atmosphärische Klavier-Cover von Liedern, die ich seit langem liebe, die aber aus ganz unterschiedlichen Bereichen stammen. Mir scheint, dass Melodien universell sind, und die, mit denen ich mich wirklich verbinde, glänzen unabhängig von Genre oder Kontext, ob aus dem Techno, Folk oder was auch immer“, sagt Jon Hopkins über die Vorlagen, die von von Roger & Brian Eno (mit Letzterem hat er schon 2010 auf dem Album Small Craft On A Milk Sea zusammengearbeitet), Thom Yorke, Luke Abbott und James Yorkston stammen.
Dawn Chorus, im Original eine Solo-Veröffentlichung von Radiohead-Frontmann Thom Yorke, eröffnet die Piano Versions mit ein paar schwebenden Akkorden. Gegen Ende meint man, im Hintergrund einen Hauch von einem Chor erkennen zu können, und diesen Effekt setzt Jon Hopkins auch im folgenden Heron (von Folk-Tausendsassa James Yorkston) ein: Die hohen Klaviertöne klingen zunächst fast wie Picking auf einer Gitarre, dann lassen sich auch leise Naturgeräusche, Rascheln und Klappern ausmachen, die das begleiten.
„Ich liebte die Einfachheit, mein altes Klavier zum ersten Mal in den Mittelpunkt einer ganzen Platte zu stellen. Aber ich lege nach wie vor großen Wert darauf, die Außenwelt in die Aufnahmen einzubeziehen, und so gibt es Schichten von Nebengeräuschen, Vogelgezwitscher, das Geräusch von jemandem, der in der Studioküche abwäscht – was auch immer außerhalb meines Zimmers vor sich ging, wird mit einbezogen und sogar akzentuiert“, sagt Hopkins.
Das funkioniert auch in Modern Driveway (ursprünglich von Luke Abbott) bestens: Das Stück klingt verloren, denn es hat beinahe mehr Lücken als Klänge, mehr Raum als Gestalt – um so kraftvoller wirkt jeder einzelne Ton, umso mehr bekommt alles Tiefe und Schwere. Das vergleichsweise verspielte Wintergreen (Roger & Brian Eno) gönnt sich ebenfalls viele Pausen, als würde der Künstler in diesen Momenten erst überlegen, welche Noten er als nächstes spielt. Für Fans seiner Musik und Kenner*innen der jeweiligen Vorlagen ist das durchaus interessant, nicht nur weil es so ambient ist, sondern auch so transparent: „Ich möchte, dass die Leute nicht nur die Aufnahmen hören, sondern auch spüren, wie es sich anfühlte, dort zu sein und sie zu machen. Es war eine tiefe Erfahrung.“