Josefin Öhrn And The Liberation – „Sacred Dreams“

Künstler Josefin Öhrn & The Liberation

Josefin Öhrn Sacred Dreams Review Kritik
Die „Sacred Dreams“ enthalten fluffige Wolken ebenso wie Schatten.
Album Sacred Dreams
Label Rocket Recordings
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

„Psychedelisch“ ist ein zwiespältiger Begriff in der Musik. Viele denken dabei an bekiffte Bands oder Klangtüftler auf einem LSD-Trip, die ohne irgendwelche Einschränkungen vor sich hin spielen und damit Sounds erzeugen, die ihren Hörerinnen und Hörer einen ähnlich berauschten Eindruck vermitteln. Wirklich gute Psychedelic-Acts zeigen aber: Um dieses Gefühl von Freiheit und Reisen in neue Sphären erzeugen zu können, braucht es eine sehr genaue Kontrolle und eine präzise Vorstellung davon, was man im Hier und Jetzt mit seinen musikalischen Mitteln erreichen will.

Josefin Öhrn And The Liberation zeigen das mit ihrem dritten Album Sacred Dreams sehr genau. Die aus Stockholm stammende Band hat ein paar Rahmenbedingungen verändert, um dem Ideal der eigenen Ästhetik noch näher zu kommen. Sie sind nach London gezogen, auch die Liberation ist neu formiert und besteht jetzt aus Maki (The Go! Team), Patrick C Smith (Eskimo Chain) und Ben Ellis (Iggy Pop, Swervedriver). Aufgenommen wurde die Platte in den Press Play Studios von Andy Ramsay (Stereolab), der auch produziert und die meisten der programmierten Drum-Sounds beigesteuert hat.

Der Auftakt Feel The Sun, zugleich die erste Single des Albums, ist sehr typisch für Sacred Dreams: Die Musik ist motorisch, der Gesang verführerisch, das Ergebnis wirkt beinahe, als wäre Sarah Cracknell (Saint Etienne) als Sängerin beim Black Rebel Motorcycle Club eingestiegen. Das elektronisch geprägte I Can Feel It ist zugleich mädchenhaft, mysteriös und abenteuerlustig, Caramel Head wird betörend elegant, Whatever You Want deutet an, was womöglich passiert wäre, hätten sich Air ein bisschen aus dem Studio heraus und in die echte Welt gewagt.

„Dieses Album stammt aus einer Zeit des Liebeskummers, des Verlusts und der Auflösung, aber auch voller tiefer Liebe, Wärme und Schönheit, die darin enthüllt wurden“, sagt Josefin Öhrn. Dann erklärt sie noch den Albumtitel und schafft es, sogar in ihrem Zitat psychedelisch zu klingen: „Ein Sacred Dream, wie wir ihn sehen, ist nicht unbedingt ein goldener, flauschiger Wolkenfluss, sondern enthält auch all die Schatten, die man wahrnehmen und fühlen muss, um all die Dinge loslassen zu können, die man ohnehin nicht halten kann, um wirklich zu leben. Die Dissonanz eines solchen Traums ist möglicherweise nicht sofort ersichtlich, geschweige denn seine Bedeutung. In gewisser Weise scheinen alle diese Spuren von dem Ort zu stammen, an dem wir fast ein neues Ufer erreicht hätten. Vielleicht haben wir es auch verpasst und sind ganz woanders angelangt, aber es gibt keine Möglichkeit, das zu wissen, bis es schließlich passiert ist.“

So verworren diese Sätze wirken könnte, so enthält diese Aussage doch zentrale Begriffe für die Wirkung von Sacred Dreams und den Sound von Josefin Öhrn And The Liberation insgesamt. Schatten, Dissonanz, eine Reise ins Unbekannte – all das findet man hier. Die größte Stärke dabei ist, das zur sehr überzeugenden Grundstimmung immer wieder wundervolle Details kommen wie die extrem schönen Streicher in Floating Away, der Beatles-Bass in Let It Come oder die asiatische Gitarrenfigur in Only Lovers, die eine hypnotische Wirkung à la The Doors entfaltet.

Desire überrascht mit vielen Zeilen auf Französisch, ein Kompliment wie „your kisses taste like desire“ hört man freilich bestimmt in jeder Sprache der Welt gerne. Hey Little Boy entfaltet eine Lässigkeit wie Velvet Underground, zur Coolness trägt auch das Mantra von „Hey little boy, it’s alright“ bei, das aus einer Position sagenhafter Souveränität vorgetragen wird. Baby Come On erweist sich als vergleichsweise straighter, aber keineswegs einfallsloser Boogie, New Horizons klingt wie eine entspannte Version von The Kills.

Die Kontrolle inmitten der Psychedelik trägt auf Sacred Dreams also einerseits zur Abwechslung bei, andererseits zur sehr eindrucksvollen Wirkung: Man findet bei Josefin Öhrn And The Liberation auch diesmal keine Direktheit, aber trotzdem einen unmittelbaren Zauber.

Apropos Trip: Diesen Charakter kann auch das Video zu Feel The Sun für sich in Anspruch nehmen.

Josefin Öhrn & The Liberation bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.