Künstler | Juliana Daugherty | |
Album | Light | |
Label | Western Vinyl | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Es ist ja in diesen Tagen en vogue, sich öffentlich zu seinen psychischen Problemen zu bekennen. Simon Pegg gesteht im NME Alkoholsucht und Depression, so unterschiedliche Künstler wie Lady Gaga, Frank Carter, Hayley Williams, George Ezra und Dave Navarro schütten ebenfalls ihr Herz aus. Natürlich ist das eine gute Sache – transparent zu machen, wie verbreitet diese Phänomene sind und wie leicht sie sogar jene treffen können, die in einer vermeintlichen Glitzerwelt leben, kann langfristig den Betroffenen nur helfen.
Juliana Daugherty stellt sich mit ihrem Debütalbum ebenfalls in diese Reihe, wenn auch auf eher ungewöhnliche Weise. Das wichtigste Thema auf Light ist ihr persönlicher Kampf gegen die Depression. „Ich habe diese Platte auch gemacht, um dieser psychischen Krankheit ihre Macht zu rauben“, sagt die Sängerin aus Charlottesville, VA.
In den zehn Liedern der Platte findet sie immer wieder sehr starke Metaphern dafür, passend zum Albumtitel oft aus dem Bereich des Lichts und der visuellen Wahrnehmung. “Almost everything there is / escapes my sight”, singt sie im akustischen Revelation, das klingt dann bekenntnishaft und intensiv wie Alanis Morissette, aber gänzlich anders im Sound. “Does it take a mountain now / to tear my eyes from the ground?”, lautet die Frage in Easier, und die Antwort dazu heißt: So sehr sie auch gegen die Dunkelheit in ihr kämpft, es wird nicht einfacher.
Solche Texte sind vielleicht nicht allzu ungewöhnlich bei jemandem, der einen Universitätsabschluss in Lyrik hat. Schon weitaus überraschender ist die musikalische Umsetzung, erst recht wenn man weiß, dass Juliana Daugherty auf einem Konservatorium war: Fast immer dominiert eine seltsam reduzierte Gitarre den Sound, und aus dem Kontrast aus vermeintlich provisorischer Instrumentierung und dem sehr eindringlichen und elaborierten Gesang („Ihre Stimme ist auf kraftvolle Weise sehnsüchtig und lässt jede Silbe klingen, als verlange sie nach einer Antwort, wie ein Logbuch der Unsicherheit“, hat Gold Flake Paint sehr treffend geschrieben) entsteht der Reiz von Light.
Sweetheart ist ein gutes Beispiel dafür: Die Schrammelgitarre im Lofi-Sound scheint so gar nicht zu diesem filigranen Gesang zu passen, gerade aus dem vermeintlich monotonen Gitarrenspiel erwächst aber die Spannung und Kraft des Lieds. Der Album-Auftakt Player funktioniert ähnlich: Die Gitarre ist geradezu stoisch, der Beat äußerst zurückhaltend, der Bass kaum zu bemerken, der Gesang wie unterbewusst, trotzdem bekommt der Song eine große Dringlichkeit. Bliss setzt ebenfalls bloß auf E-Gitarre und Gesang und lässt Juliana Daugherty dabei wie in Trance erscheinen.
Dass Light bei dieser sehr spartanischen Instrumentierung nicht langweilig wird, liegt zum einen an den Themen, zum anderen an sehr cleveren Arrangements. Baby Teeth ist ein gutes Beispiel dafür: Der Kern besteht auch hier bloß aus E-Gitarre und Gesang, aber es gibt auch diverse Winzigkeiten, die für Spannung sorgen wie ein paar Klaviertupfer oder sehr leise perkussive Sounds ganz außen auf dem rechten Kanal. Bei California schleichen sich gegen Ende Bläser in den Hintergrund. Der Titelsong Light wird ausnahmsweise vom Klavier getragen, dazu gibt es dezente Percussions, sodass man mit etwas Fantasie vielleicht einen Tango oder eine Samba tanzen dazu tanzen könnte, wenn auch in Zeitlupe.
So entsteht Abwechslung, ohne dass die Intimität dieser Platte verloren ginge. Come For Me illustriert das: Auch hier singt Juliana Daugherty, als sei sie ganz privat und könne sich nicht einmal vorstellen, dass da ein Publikum ist. Das gilt auch für den Album-Abschluss Wave, der sogar noch sensibler und noch zerbrechlicher wird. Das ist in Summe äußerst einnehmend – und als Statement für die Akzeptanz von psychischen Krankheiten in jedem Fall subtiler als ein „Auch ich habe mit schweren Zeiten zu kämpfen!“- Interview.