Künstler | Jungstötter | |
Album | Love Is | |
Label | Pias | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Shitesite war, vorsichtig formuliert, nie ein großer Fan von Sizarr, der ehemaligen Band von Fabian Altstötter, der nun als, höhö, Jungstötter mit Love Is sein erstes Soloalbum vorlegt. „Sizarr sind absurd schlecht“, lautete das Urteil nach dem Auftritt der Band beim Melt 2011, „Nurture bietet nichts als prätentiöse Posen“, war das Fazit zum 2015 erschienenen zweiten Album.
Eben jenes Album läutete das Ende der Gruppe ein. „Mir hatte sich eine ganz neue musikalische Welt aufgetan, bei der ich sofort gemerkt habe, dass sie mir viel mehr entspricht. Als ich den anderen beiden eröffnet habe, dass ich mit Sizarr nicht mehr weitermachen möchte, haben sie verständnisvoll reagiert und konnten meine Argumente sehr gut nachvollziehen“, sagte Fabian Altstötter im Interview mit dem uMagazine zu den Hintergründen und den Kontroversen, die schon während der Aufnahmen zu Nurture offenkundig wurden. Der ehemalige Bandkollege P.A. Hülsenbeck ist, neben Manuel Chittka, Johannes Weber und Nicolas Fehr als weiteren Mitstreitern, auch hier zu hören. Doch musikalisch ist Love Is in der Tat ein kompletter Neuanfang. Um es vorweg zu nehmen: Als Jungstötter hat Fabian Altstötter die Kurve gekriegt.
Wound Wrapped In Song heißt ein Lied ungefähr in der Mitte des Albums, und der Titel ist bezeichnend. Der Musiker, der aus Landau stammt und nach Stationen in Mannheim und Leipzig jetzt zwischen Berlin und Wien pendelt, verarbeitet hier sehr erkennbar eine schmerzhafte Trennung. Es gibt nach wie vor Pathos, aber es gibt nicht mehr den hohlen Pomp von Sizarr und deutlich weniger Effekthascherei. Vor allem gibt es erstmals das Gefühl, diese Stimme singe etwas, woran sie glaubt.
The Rain, das nur Klavier und Gesang enthält, oder das sehr klassische Black Hair sind schöne Beispiele für die reduzierten Arrangements bei Jungstötter, I Wonder Why zeigt, wie die Lieder auf Love Is das Kopfkino in Gang setzen können, in diesem Fall kann man sich beispielsweise sehr gut einen einsamen Reiter in der Wüste vorstellen. Das Drama der Situation „I’m in too deep and I can’t get out“ steckt in In Too Deep vor allem in seinem Gesang, zum Abschluss des Albums klingt er in To Be Someone Else so aufgewühlt und sensibel, wie eine Identitätskrise wohl klingen muss, denn nichts anderes ist hier das Thema.
Für Sally Ran darf der Bass die Führung übernehmen und man kann staunen, wie weise das Ergebnis klingt, der Titelsong setzt zunächst auf ein schönes Zusammenspiel seiner Stimme mit dem Background-Gesang, bis am Ende ein paar Noise-Elemente für einen beträchtlichen Schock sorgen, an denen man wohl die Handschrift von Produzent Max Rieger (Die Nerven) erkennen kann. Der Auftakt Silence steckt sehr gekonnt die Koordinaten für Love Is ab: Die Atmosphäre ist verschwörerisch, das Klavier klingt elegant, der Rest ist bedrohlich, wie man das von Nick Cave kennt, den man ohnehin als so etwas wie die Paten für dieses Album betrachten kann. Sehr typisch für den Sound von Jungstötter ist auch Systems: Die ersten Minuten davon könnten an einem Lagerfeuer erklingen, das am Ende der Welt brennt, dann wird es nach und nach kraftvoller, bis es am Ende wirklich Wucht hat – und sogar Charakter.