Jungstötter Massifs Of Me Review Kritik

Jungstötter – „Massifs Of Me“

Künstler*in Jungstötter

Jungstötter Massifs Of Me Review Kritik
Zwei neue Songs enthät die EP „Massifs Of Me“.
EP Massifs Of Me
Label Pias
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Man kann Fabian Altstötter beim besten Willen nicht vorwerfen, dass er Veränderungen scheut. Als er als Sänger bei Sizarr trotz beträchtlichen Erfolges keinen Spaß mehr hatte, wurde die Band beerdigt. Als Solokünstler erfand er sich unter dem Namen Jungstötter neu. Die Songs seines im Februar 2019 veröffentlichten Debütalbums beließ er auch nur kurz in ihrer ursprünglichen Form, bei seinen Konzerten hat er sie nach und nach immer weiter verändert und weiterentwickelt. Und nun, während er in seiner Wahlheimat Berlin gerade an seinem zweiten Studioalbum arbeitet, legt er die EP Massifs Of Me vor, die einerseits zwei neue – zum Teil von seinem Blick auf die Covid-19-Pandemie beeinflusste – Tracks enthält, andererseits erneute Überarbeitungen von zwei Liedern des 2019er Albums Love Is.

Die EP sieht er als Brücke zwischen dem ersten und dem nächsten Album, nimmt man die beiden neuen Songs als Maßstab, setzt er diesmal den früher schon einmal gehegten Gedanken, komplett auf elektronische Mittel zu verzichten, konsequent um. Vielleicht ist das nur eine Notlösung und letztlich der Tatsache geschuldet, dass innerhalb der Corona-Bedingungen nicht allzu viel Flexibilität und insbesondere kein kreativer Austausch mit anderen Künstler*innen möglich ist. Man darf bei jemandem wie Jungstötter aber davon ausgehen, dass er sich in seinem Werk auf solche Kompromisse nicht einlässt. Denn auch bei Massifs Of Me ist die Ernsthaftigkeit das wichtigste Charakteristikum seiner Musik.

Sein Gesang würde auch hier eher ins Opernhaus passen als auf eine Festival-Bühne, die vier Lieder sind so fein ziseliert, als wolle er unbedingt den Ehrentitel als deutscher Rufus Wainwright erringen. Genau das bleibt aber auch sein Problem. Durch die Überbetonung seines Anspruchs wirkt die Musik geschauspielert, sie ruft in jedem Moment „Schau mich an, wie Kunst ich bin!“ und wird gerade dadurch nicht bewegend, obwohl hier vermeintlich so viel Gefühl drin steckt.

Der Titelsong Massifs Of Me eröffnet die EP. Die „cracked realities“, die Jungstötter besingt, sind vielleicht durch die Pandemie entstanden, er reagiert darauf mit einem Stück, das kontemplativ ist und trotzdem Aufgewühltheit erkennen lässt. Das folgende Purest Hour ist ebenfalls eine neue Komposition und das einzige Lied, in dem mehr als Klavier und Gesang eingesetzt wird, nämlich ein von Friedrich Paravicini arrangiertes und eingespieltes Streicherquartett. Das Ergebnis ist zart, elegant und erzeugt gegen Ende dann auch Dramatik.

Dem folgen zwei neue Versionen von Songs des Debütalbums. Die reduzierte Klavierfassung von Love Is unterstreicht nur: Seine Stimme ist nicht so gut wie er denkt, seine Texte und Melodien auch nicht. Und bei der Neuinterpretation von Silence ist bezeichnenderweise die instrumentale Passage kurz vor dem Schluss der reizvollste Teil des Lieds. Es bleibt letztlich das Kernproblem von Jungstötter: Es gibt bei ihm genug Ideen und noch mehr Ambition. Aber es gibt immer nur Pose statt Leidenschaft.

Hinter einer Maske bleibt Jungstötter im Video zu Massifs Of Me.

Jungstötter bei Instagram.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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