Künstler | K. Flay | |
Album | Solutions | |
Label | Interscope | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
„The boy I love’s got another girl / He might be fucking her right now.“ So beginnt das bekannteste Lied von K. Flay (Blood In The Cut, für das sie 2017 eine Grammy-Nominierung bekam). Später gibt es darin noch die Zeilen: „I don’t have an agenda / all I do is pretend to be ok / so my friends can’t see my heart in the blender.“ Ihr zweitbekanntestes Lied ist Giver, das ebenfalls vom großartigen Every Where Is Some Where stammt, auf gut 15 Millionen Aufrufe bei Spotify kommt und Platz 25 der Alternative-Charts in den USA erreichte. „I called my brother, yelling out / I fell in love and then fell out“, lauten darin die ersten Zeilen, und später heißt es: „Every day’s another shot / but all I do is fuck it up.“
Wenn die 34-jährige Stanford-Absolventin nun ihr drittes Album vorlegt, darf man also davon ausgehen, auf nicht allzu viel gute Laune zu treffen. Doch die Platte, entstanden mit ihren Langzeit-Kompagnons Tommy English und JT Daly sowie Joel Little und CJ Baran zwischen Los Angeles und Nashville, beweist schon im Titel das Gegenteil: Solutions soll zuversichtlich und konstruktiv sein. „Der Titel Solutions kam mir schon ganz am Anfang der Arbeiten. Für die meisten Probleme gibt es nämlich ganz einfache Lösungen“, sagt K. Flay. „In meinem Fall musste ich mich an ein paar ganz simple und grundsätzliche Regeln halten: Mit den Menschen, die ich liebe, wirklich in Kontakt bleiben, dazu mich selbst so behandeln, wie ich es mir für meine Freunde wünsche, und einfach das machen, wovon ich aus Erfahrung weiß, dass es mich glücklich macht – und nicht das, was irgendwelche Leute oder die sozialen Medien oder überhaupt die Gesellschaft mir weißmachen wollen.“
Wie überzeugt sie davon ist (und wie gut die optimistische Inkarnation von K. Flay funktioniert), zeigt vor allem der Auftakt der Platte. Von den ersten drei Liedern ist jedes ein Manifest, was auch hier bereits in den Titeln erkennbar wird. I Like Myself heißt der programmatische Album-Opener, und das erweist sich als Credo auch für die folgenden neun Lieder. Kristine Meredith Flaherty (wie sie bürgerlich heißt) ist im Reinen mit ihrem Beruf, ihrem Körper, ihren Fehlern – vor allem aber mit all dem, was der Rest der Welt von ihr (oder für wichtig) hält. Der Refrain ist hell und heiter, verweist aber im Sound zugleich noch darauf, dass dieses Bekenntnis von „I like myself“ hart erkämpft ist und immer wieder neu erkämpft werden muss.
Bad Vibes thematisiert offenkundig einen Mann, der seine vermeintliche Coolness aus schlechter Laune be- und sein Gegenüber damit mächtig runterzieht. Der Beat deutet eine Aggressivität an, die dann im Refrain zum Ausbruch kommt, mit harten Gitarren und einer Kälte, die auch zu Marilyn Manson passen würde. This Baby Don’t Cry schließt das überragende Auftakt-Trio ab, fast nur mit Sprechgesang und einem sehr originellen Beat, später auch mit einer Quasi-Surf-Gitarre. Auch hier ist die Botschaft: Wenn man sich selbst lieben will, hilft es enorm, die Meinungen aller anderen auszublenden oder zumindest nicht so wichtig zu nehmen.
Das ist kraftvoll in seiner Aussage und ziemlich einmalig im Sound. Danach lässt die Platte zwar etwas nach, bietet aber immer noch genug Klasse. „I wanna be your sister / do you wanna be mine?“, lautet die Frage in Sister, die zugleich ein Angebot zu Beistand, Loyalität und Komplizenschaft ist, mit einem glamourösen und auf spektakuläre Weise modernen Refrain. Good News ist tanzbar, spannend und eingängig – erst gegen Ende, als die Sängerin für ein paar Takte nur noch von einer Orgel begleitet wird, erkennt man auch die Verletzlichkeit, die in diesem Lied steckt.
Nervous ist das einzige klassische Liebeslied auf Solutions, die Zuneigung wird hier nicht in großen Worten beschrieben, vielmehr sind es alltägliche Gesten und kleine Überraschungen, aus denen dieses Gefühl seine Stärke bezieht. Der Song lebt nicht nur von feiner (Selbst-)Beobachtung, sondern auch von viel Glaubwürdigkeit: Man hört der Stimme von K. Flay an, wie sehr sie es genießt, sich fallen lassen zu können. Das Gegenstück dazu ist Ice Cream: Hier ist sie unglücklich verliebt in einen Typen, der an eine andere vergeben ist. Am Ende steht die Erkenntnis, dass man auch als Erwachsene noch verwirrt sein darf (und wird). Obwohl die Gesangsmelodie schön der Süßigkeiten-Metapher entspricht, ist der Track musikalisch etwas schwach, ohnehin fällt die Spannungskurve im letzten Drittel des Albums (von einem sehr hohen Ausgangsniveau kommend) etwas ab.
Not In California wirkt musikalisch ein bisschen wie (intelligenter) Female Pop von der Stange, wäre also beispielsweise auch von Charli XCX vorstellbar oder von einer rockenden Lorde. Only The Dark will sich Mut zusprechen, hat auch die nötige Überzeugungskraft, aber nicht die Finesse, die viele andere Songs hier so besonders machen. DNA schließt die Platte versöhnlich ab mit einem Blick auf das, was man mitbekommen hat von seiner Familie und das, was man im Leben selbst gestalten kann.
„Früher handelten die meisten meiner Songs von irgendwelchen Problemen. Und momentan konzentriere ich mich einfach auf das Positive. Das Gleichgewicht muss halt stimmen… schließlich muss das Leben gar nicht immer so chaotisch sein, um einen Sinn zu haben“, hat K. Flay erkannt. Solutions ist ein wunderbarer Ausdruck dieser Mentalität und zugleich ein spektakulärer Beweis ihrer Emanzipation – als Frau, als Künstlerin und auch von den eigenen Dämonen.
Das Video zu Sister ist Teil einer Trilogie.
K.Flay gibt es im Herbst 2019 live in Deutschland:
29.10.19 – Kulturkirche (Köln)
31.10.19 – Astra (Berlin)
04.11.19 – Markthalle (Hamburg)
05.11.19 – Werk 2 (Halle D) (Leipzig)
10.11.19 – Strom (München)
11.11.19 – Zoom (Frankfurt)