Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi, Täubchenthal, Leipzig

Fünf Leute, totale Autonomie: Das ist das Rezept bei Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi.
Fünf Leute, totale Autonomie: Das ist das Rezept bei Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi.

Es ist die offizielle Eröffnung im Täubchenthal in Plagwitz und schon jetzt dürfte feststehen: So ein gutes Konzert wird die Location, die bald eine feste Größe für die Feiermenschen in Leipzig und Umgebung sein möchte, so bald nicht mehr wieder sehen. Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi sind zu Gast, also schlicht das Beste, was deutscher Sprechgesang derzeit zu bieten hat.

Die rund 90-minütige Show ist schlau und gut gelaunt, hat es aber niemals nötig, zu predigen oder zum Feiern aufzufordern. „Jetzt alle die Hände hoch!“, „Jetzt springen wir alle gemeinsam!“ „Jetzt nur die Mädchen, jetzt nur die Jungs!“ – all diese Standard-Bühnenshow-Motivationsversuche fallen aus, und trotzdem ist die Stimmung glänzend. Auch sonst wird im Täubchenthal schnell deutlich, wie stark Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi sich vom großen Rest ihrer Deutschrapkonkurrenz absetzen. Es gibt kein „Ich hab den längsten Schwanz“, es gibt kein „Es ist so hart im Rap-Geschäft“, es gibt kein „Wo ich herkomme, ist Gangsta, Alter.“

Stattdessen gibt es reichlich Momente, die einem ein fettes Grinsen ins Gesicht zaubern, gerade weil sie belegen, wie schnell sich Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi eine ganz eigene Welt mit ganz eigenen Koordinaten aufgebaut haben, und gerade weil sie so angenehm kontrastieren mit dem, was man von weniger originellen Acts gewohnt ist. Wenn knapp 1000 junge Menschen „Hallo Hypothalamus“ rufen oder „Wir sind Bakterien“ (in Der Anfang ist nah, das in Leipzig ebenso den Auftakt macht wie auf dem aktuellen Album Expedition ins O), wenn sie die Wanderliedmelodie von Omega Peng begeistert mitpfeifen, wenn sie aus vollem Leibe „Pelikan Peli Peli Pelikan“ schreien (im frenetisch gefeierten Sie mögen sich), dann ist das schlicht irre. Und es sollte dringend allen empfohlen werden, die HipHop (oder womöglich gar „die jungen Leute heutzutage“) grundsätzlich für angepasst, stromlinienförmig und dumm halten, um sich vom Gegenteil zu überzeugen.

Natürlich gilt das auch, wenn am Ende von Sockosophie tatsächlich Socken auf die Bühne geworfen werden. Diese Socken riechen nach gut einer Stunde tanzen im Täubchenthal bestimmt nicht mehr gut. Aber sie sind nicht die Entsprechung von faulen Eiern und Tomaten, sondern eher von Blumen und BHs. Sie sind Orden der Kreativität. Und wenn man dann Leute beobachtet, die in Leipzig tatsächlich komplette Texte auswendig mitsingen (um das einmal zu verdeutlich: Sie mögen sich hat ziemlich genau fünfmal so viele Wörter wie Goethes Erlkönig), dann geht einem das Herz auf – und man will das unbedingt auch können.

Kein Show-Mann, aber voller Talent: Käptn Peng in Leipzig.
Kein Show-Mann, aber voller Talent: Käptn Peng in Leipzig.

All das funktioniert, obwohl Robert Gwisdek a.k.a. Käptn Peng beim besten Willen kein Entertainer ist. Wenn er zwischen den einzelnen Tracks nicht freestylt oder ohne Begleitung ein paar Strophen zum Besten gibt, dann wirkt er beinahe unbeholfen in Bundeswehr-Trainingshose und Schlabber-T-Shirt. Er muss sein Mikrofonkabel entknoten, er erstickt im Zugabenblock (inklusive des sehnsüchtig erwarteten Platz da) beinahe am selbst verstreuten Konfetti (behauptet er jedenfalls, und lässt passend dazu gleich den Todesbossa erklingen), und er steht auch öfter mal mit dem Rücken zum Publikum. Dem Spaß ist das nicht abträglich, auch nicht der Bewunderung, die ihm entgegen schlägt. Kleine Pannen und ein paar Sekunden Schweigen sind die Entsprechung einer Musik und einer Show, die nicht auf Allüren setzt, sondern auf maximale künstlerische Fantasie gepaart mit totaler Autonomie.

Dazu passt, dass Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi in Leipzig mit selbst gebastelten Masken und Kostümen auf die Bühne kommen (die ein bisschen aussehen wie Bonaparte ohne Budget), dass zum Instrumentarium der fünfköpfigen Band etwa eine Spülbürste, ein Pizzablech, ein Aschenbecher und ein Straßenbesen gehören, und die nicht unbedeutende Tatsache, dass einige der Tracks als so etwas wie Impro-Theater daherkommen, wenn Käptn Peng die Tracks mit Shaban nicht nur rappt, sondern auch schauspielert und damit die Brücke schlägt zu seinem anderen Metier, in dem er (3 Zimmer/Küche/Bad, Oh Boy) ebenfalls tätig und ebenfalls großartig ist. Es wäre fast gemein, wenn er all dies nicht so gekonnt und bescheiden auf die Bühne bringen würde: So viel Talent in einem Mann.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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