Katelyn Tarver Subject To Change Albumkritik

Katelyn Tarver – „Subject To Change“

Künstler*in Katelyn Tarver

Kateyln Tarver Subject To Change review Kritik
Kateyln Tarver bezieht „Subject To Change“ auch auf sich selbst.
Album Subject To Change
Label Compliments Only
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Vielleicht sieht man das in den USA etwas anders, wo Pop-Megastars wie Miley Cyrus, Britney Spears oder Justin Timberlake aus dem Kinderfernsehen hervorgegangen sind. Aber nach gängiger Auffassung ist die Teilnahme an Castingshows im frühestens Teenageralter für die Glaubwürdigkeit von (im weitesten Sinne) Singer-Songwriterinnen nicht unbedingt zuträglich. Auch nicht eine schauspielerische Nebentätigkeit in leichtgewichtigen Serien und Filmen wie Big Time Rush, My Superhero Family, The Secret Life Of The American Teenager oder Famous In Love. Katelyn Tarver hat all das in ihrer Biographie. Aber Subject To Change lässt keinen Zweifel daran, dass die aus Georgia stammende und in Los Angeles lebende Künstlerin eine sehr ernstzunehmende Pop-Autorin, -Produzentin und -Interpretin ist.

Ihre Lieder, zum Teil geschrieben mit Kollegen wie Davis Naish, David Arkwright und Justin Gammella, sind schön, ohne deshalb beliebig zu sein. Sie profitieren von einer sich niemals einschmeichelnden Sensibilität und einem feinen Gespür für Dramatik wie in All Our Friends Are Splitting Up, bei dem man an Cyndi Lauper denken kann , sie glänzen mit feinen Spannungsbögen (Out Of Excuses) und natürlich auch einer sehr schönen Stimme, die in zarten Momenten wie At The Same Time besonders zur Geltung kommt. Wenn die Songs reduziert sind wie das nur auf Gitarre und Gesang setzende Years From Now, kann man an Sheryl Crow denken, üppiger arrangierte Tracks wie Hurt Like That würden indes gut zu Taylor Swift passen.

Die größte Stärke von Subject To Change ist die erstaunliche Reife, die in den Liedern der 32-Jährigen, die zuletzt 2018 die EP Kool Aid vorgelegt hatte, erkennbar wird. „Ich glaube, viele von uns machen diese Phase im Leben durch, in der man sich fragt: ‚War das alles?‘ Es kann so isolierend sein und so schwer, darüber zu sprechen, vor allem mit den sozialen Medien und dem ganzen Druck, immer alles im Griff zu haben. Aber das Leben ist unvorhersehbar. Neben all den Geschichten über Triumphe und Resilienz gibt es genauso viele Geschichten über Versagen und Verlorengehen. Der Süchtige wird rückfällig. Das glückliche Paar lässt sich scheiden. Derjenige, den man auf ein Podest gestellt hat, lässt einen im Stich. Die Liebe deines Lebens zu finden, löst deine Probleme nicht“, hat sie erkannt.

So handelt schon der Auftakt Back To You davon, sich lange etwas vorgemacht zu haben und nun endlich klar zu sehen. Auch Nicer besingt eine Veränderung, die erst im Nachhinein klar wird, aber dann als erfreulich oder sogar überfällig erkannt wird, ebenso weiß der innige Album-Schlusspunkt When I Leave Home, wie wertvoll es ist, wenn man sich selbst erkannt hat, einschließlich der eigenen Vorlieben und Macken. Glad I Got You erinnert daran, dass im Leben nicht Ruhm, Likes und Millionen zählen, sondern die besonderen Momente (natürlich zu zweit), in denen sich alles richtig anfühlt. Downhill From Here positioniert sich mit der Frage, was jenseits der 30 noch im Leben kommen mag, zwischen Sehnsucht nach unbeschwerter Jugend und der Akzeptanz der Tatsache, dass man Erwachsenwerden eben alleine schaffen muss – und nie wissen kann, wann man dabei am Ziel angelangt ist.

Auch die Single Shit Happens benötigt fast nur Klavier und Gesang, die Stimme von Katelyn Tarver passt dabei wunderbar zur abgeklärten Haltung des Songs, die in der Zeile „Sometimes shit just happens and you learn to live with it“ zusammengefasst ist. „Es hat mich schon immer gestört, wenn etwas schief geht und die Leute versuchen, einen zu trösten, indem sie dem Ganzen sofort eine tiefere Bedeutung zuschreiben. Ich glaube, es ist wahr, dass Schmerz zu Wachstum führt, aber ich glaube auch, dass es wahr ist, dass schlimme Dinge passieren, die vielleicht nie einen Sinn ergeben. Ich glaube, es liegt Freiheit und Katharsis darin, sich das einzugestehen“, sagt sie.

Vielleicht steckt dahinter auch die Erkenntnis, dass es für sie in ihrem Leben zwar nicht immer wunschgemäß, aber letztlich trotzdem gut gelaufen ist. Als sie 2003 bei American Juniors davon träumte, in die Band aufgenommen zu werden, die aus dieser Show hervorgegangen ist, scheiterte sie. Von den fünf Teenies, die damals ausgewählt worden, sind aber vier längst wieder in der Versenkung verschwunden. Sie hat dafür inzwischen neben ihrer eigenen Musik (mit mehr als 50 Millionen YouTube-Streams allein für die 2017er Single You Don’t Know) beispielsweise einen Hit für Cheryl Cole geschrieben und mit Ludwig Göransson (Childish Gambino, Adele) gearbeitet. So erstaunlich diese Entwicklung ist, so erstaunlich ist diese Platte von einer Künstlerin, der viele wohl allenfalls von Fließband-Produzenten hergestellte und mit reichlich halbprominenten Features aufgemotzte Musik zugetraut hätten.

Das weiß Katelyn Tarver auch selbst, und nicht zuletzt der Albumtitel Subject To Change ist Ausdruck davon: „Kennen Sie die Redewendung: Der einzige Ausweg ist ein Durchgang? Mit diesen Liedern bahne ich mir einen Weg hindurch. Ich gebe mir die Erlaubnis, keine Antworten zu haben. Ich erlaube mir, all diese Dinge zu fühlen. Den Schmerz, die Freude, die Verwirrung, das bittersüße Dazwischen … Ich habe gelernt, dass Unsicherheit eine offene Tür sein kann. Und dass Veränderung eine ständige Einladung ist, die ich annehmen will.“

Auch das Video zu Shit Happens ist wunderbar unaufgeregt.

Website von Katelyn Tarver.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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