Bis man verurteilt ist, gilt man als unschuldig. Und bis man sich verdächtig macht, gilt man als unverdächtig – auch in Zeiten des Terrors. Das Bundesverfassungsgericht hat wieder einmal deutlich gemacht, dass es keinen Rabatt auf Grundrechte gibt, auch wenn die Strafverfolgungsbehörden gerne gläserne Bürger hätten, die überall und jederzeit aufzuspüren sind.
Das Karlsruher Urteil schützt alle unbescholtenen Bürger, die schon jetzt unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung ohne ersichtlichen Grund zahlreiche persönliche Daten preisgeben müssen, beispielsweise beim Erwerb einer Eintrittskarte für ein Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft.
Es stärkt zugegebenermaßen auch all jene, auf die das Profil eines Terrorverdächtigen passt. Doch dass darunter wirklich die Sicherheit im Land leidet, muss bezweifelt werden. Denn weder im Kampf gegen die RAF in den 1970er Jahren noch nach dem 11. September 2001 hat sich die Rasterfahndung als wirkungsvolles Instrument erwiesen. Seit den Terroranschlägen von New York wurden 8,4 Millionen Menschen in Deutschland durchleuchtet – kein einziger Schläfer wurde dabei gefunden.
Mehr noch: Die riesige Menge der gesammelten Daten ist für die Beamten kaum zu bewältigen, selbst brauchbare Spuren gehen deshalb darin unter. Von den Rucksack-Bombern in London hatte die Polizei sogar Videoaufnahmen – und konnte die Anschläge trotzdem nicht verhindern.
Das Geld, das jetzt eingesetzt wird, um einem fragwürdigen Generalverdacht nachzugehen, sollte lieber in eine bessere personelle und technische Ausstattung der Polizei fließen. Wenn Beamte auf der Straße präsent sind statt vor einem Computerbildschirm zu sitzen (wo sie auch noch nichts finden), dann fühlen sich die Menschen sicherer. Auch potenzielle Attentäter schreckt eine Streife vor Ort wohl deutlich mehr als eine abgefangene E-Mail.
Die Polizei käme dann auch wieder ihrer eigentlichen Aufgabe nach: Nicht wahllos zu schnüffeln und die gesamte Bevölkerung für potenziell kriminell zu erklären, sondern tatsächliche Verbrecher zu finden.