Kaum eine Branche verdient momentan so gut wie die Energieversorger. Prall gefüllte Kassen und für die nächsten Jahre weiter erwartete Rekordzahlen beflügeln bei den Strom- und Gasriesen die Fantasie: Wie kann man sich verstärken? Wo kann man investieren? Wer kommt für eine Übernahme in Frage?
Doch kaum ist ein konkretes Ziel ins Auge gefasst, geht an anderer Stelle die Angst um. Die Regierungen wollen die vermeintlichen Opfer im Kaufrausch der Großen schützen. Aktuell üben sich Spanien und Frankreich in derlei Protektionismus. Flugs werden Gesetze geändert und Beteiligungen verschoben. Soll das etwa der große europäische Binnenmarkt sein?
Spanien zaubert per Dekret ein paar neue gesetzliche Hürden aus dem Hut, damit Endesa nicht in die Hand der Deutschen von Eon gerät. In Frankreich stellt man dem Energieriesen Suez kurzerhand den Staatskonzern Gaz de France zur Seite, um ihn vor einer Übernahme aus Italien zu bewahren. Auch Deutschland hat in dieser Hinsicht keine ganz weiße Weste: Als das Bundeskartellamt im Sommer 2002 die angestrebte Fusion von Eon und Ruhrgas untersagt hatte, schritt Wirtschaftsminister Werner Müller ein und gab doch grünes Licht für den Zusammenschluss. Die Begründung damals wie heute, in Berlin ebenso wie in Paris und Madrid: Man sichert Arbeitsplätze, man stärkt einen nationalen Konzern im internationalen Wettbewerb.
Das ist in Zeiten, in denen die Konkurrenz längst auch aus Indien und China kommt, viel zu kurz gedacht. Deshalb ist die EU-Kommission hinsichtlich des Energiemarktes gleich zweifach gefordert: Zum einen sollte sie schleunigst versuchen, im globalen Wettbewerb eine einheitliche europäische Linie zu definieren. Endesa und Suez müssen verstehen, dass die Konkurrenz nicht in Rom oder Düsseldorf sitzt, sondern vor allem außerhalb Europas.
Zum anderen gilt es, die erst vor kurzem durchgedrückte EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Natürlich ist dieser Markt keine Branche wie jede andere. Für Frankreichs Premierminister Dominique de Villepin ist die Energieversorgung sogar „eine strategische Frage“. Auch hier zu Lande hat das Bangen um russische Gaslieferungen während des Ukraine-Konflikts zuletzt deutlich gezeigt, wie wichtig dieser Bereich ist. Dennoch darf die EU hier keine marktwirtschaftlichen Extrawürste erlauben: Wenn sie für den polnischen Klempner den freien Marktzugang fordert, dann muss sie ihn auch den Energieriesen zugestehen.