Kero Kero Bonito Civilisation Pt. II

Kero Kero Bonito – „Civilisation Pt. II“

Künstler*in Kero Kero Bonito

Kero Kero Bonito Civilisation II Review Kritik
„Civilisation II“ erzählt alte Geschichten, dazu passt ein Wachssiegel.
EP Civilisation Pt. II
Label Polyvinyl
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Zwei Dinge sind besonders erstaunlich an dieser EP. Erstens benutzen Kero Kero Bonito, die ihr größtenteils sehr junges Publikum vor allem durch kluges Bespielen digitaler Kanäle wie TikTok oder Videospiele gewonnen haben, auf Civilisation Pt. II ausschließlich Vintage-Equipment. Sie erzeugen also einen Kontrast zwischen maximaler Modernität und Technologie, die längst aus der Mode gekommen ist. Zweitens wählt das britische Trio für die drei Tracks ein Thema, das sogar noch älter ist als die hier zu hörenden Instrumente: Die Texte von Sängerin Sarah Midori Perry behandeln Mythen, Sagen und Märchen – also uralte Methoden, um die Welt (und vor allem die Ungewissheit darin) begreifbar und erträglich zu machen.

So wird der Nachfolger von Civilisation I (2019) von The Princess And The Clock eröffnet, das die Geschichte einer Prinzessin erzählt. Während sie auf Reisen ist, wird sie als Geisel genommen und in einem Turm eingesperrt, wo sie von ihren Kidnappern zwar verehrt wird, aber trotzdem die Freiheit vermisst, sodass sie schließlich flieht. Der Track klingt zunächst verspielt und niedlich, hat im Refrain allerdings erstaunlich viel Präsenz und Kraft. Wie die anderen beiden Stücke, die Kero Kero Bonito nach dem Prinzip Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft angeordnet haben, ist es detailreich und dabei doch konsistent, die vielfältigen Einflüsse für Civilisation Pt. II, zu denen Kate Bush, David Byrne, Ryuichi Sakamoto, Grimes, Caroline Polachek (Chairlift) und Björk zählen, sorgen für ein kunterbuntes Bild, für das die Stimme von Sarah Midori Perry, die hier meist Englisch, manchmal auch Japanisch singt, den Rahmen bildet, der alles zusammenhält.

Die Produktion erfolgte wieder vollständig in Eigenregie zuhause bei Gus Lobban. Er verpasst 21/04/20, benannt nach einem Tag während des Corona-Lockdowns, eine sehr verträumte Atmosphäre und eine originelle Melodieführung, lässt aber vor allem im abschließenden Well Rested seine Fähigkeiten erkennen. Das Stück ist im Prinzip eine Neubearbeitung von Rest Stop, einem Song vom 2018er Album Time’n’Place. Es setzt auf mehr Bass und Rhythmus als die anderen beiden Tracks der EP bleibt dabei aber meist luftig statt aggressiv. Elemente aus House und Eurodance werden in Well Rested ebenso integriert wie Stimm-Samples oder Wasserrauschen und Vogelzwitschern. Mit letztlich mehr als 7 Minuten wird es der längste Song, den Kero Kero Bonito je gemacht haben – und fast so lang wie ein kurzes Märchen.

Der Clip zu The Princess And The Clock erzählt das Märchen als Animationsgeschichte.

Website von Kero Kero Bonito.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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