Künstler | Kindness | |
Album | Something Like A War | |
Label | Female Energy | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Fast jede Rezension zum dritten Album von Adam Bainbridge alias Kindness beginnt mit einem Zitat aus dem ersten Track auf Something Like A War. Auch für diesen Text gilt das, denn in den zwei Sätzen, die gemeint sind, steckt so etwas wie das Credo für seine Musik. „There will be people who will say: You don’t mix this with that / and you will say: Watch me!“, heißt es in Simbambaneni, das von einem Besuch in Johannesburg 2016 inspiriert ist und neben abstrakten Streichern von Rob Moose vor allem auf eine stark bearbeitete Stimme setzt.
Das darin propagierte Zusammenführen von scheinbar Unvereinbarem hat zuletzt schon den Vorgänger Otherness geprägt, in den vier Jahren der Arbeit an der neuen Platte ist ein Element offensichtlich noch gewachsen: die Abenteuerlust. Bainbride, zuletzt in New York ansässig und mittlerweile in London lebend, hat für Something Like A War an sehr vielen Orten mit sehr vielen Leuten gearbeitet, und er vermählt hier Disco, House, HipHop, Soul und etliche weitere Einflüsse – alles mit dem Bestreben innovativ zu sein, sogar Avantgarde.
Der prominenteste Gast ist Robyn, die auf The Warning mitwirkt. „Es ist wundervoll, das ich mit ihr endlich etwas machen konnte, was praktisch eine lupenreine Ballade ist. Denn ihre Stimme ist so herrlich unverstellt, dass sie einem das Herz bricht“, sagt Bainbridge über die Zusammenarbeit. In der Tat dominiert der Gesang der Schwedin sofort (auch, weil der Backingtrack vergleichsweise dezent ist), zum Refrain sorgt er dann für ein Maß an Eleganz und Aufrichtigkeit, die den Rest des Albums überstrahlt. Auch bei Dream’s Fall ist sie mit von der Partie, mit ganz ähnlichem Resultat: Der Track setzt auf ausschließlich digitale Mittel, schafft aber dennoch eine große Wärme und Nähe. Das Zusammenspiel der beiden Stimmen trägt dazu viel, aber nicht alles bei.
Something Like A War hat noch zwei weitere Stücke, bei denen man ebenfalls ihren Beitrag vermuten könnte. In Cry Everything scheint nur das „feat. Robyn“ vergessen worden zu sein. Die Stimme klingt ähnlich, auch die Paarung von Emotionalität und Innovation, von Melancholie und Tanzbarkeit passt dazu. Robyn ist in diesem Fall aber gar nicht dabei, stattdessen nutzt der Song unter anderem ein Sample von Todd Rundgrens Pretending To Care. Auch in Softness As A Weapon kann man diesen „Klingt beinahe wie Robyn“-Effekt beobachten, hier scheint der Gesang beschwichtigend auf den nervösen Beat einwirken zu wollen, bevor ihm Klavier und Bläser zur Seite springen.
Der Titelsong Something Like A War wartet mit einem Rap auf, der erst noch bekifft wirkt, dann aber ziemlich präzise und kraftvoll wird. Bahamadia unterstützt darin, sie verehrt Bainbridge “schon seit langer Zeit wie eine Heldin”, sagt er. “Ihre Beiträge auf Kollage und der New Forms LP von Roni Size haben mich extrem geprägt. Alles, was sie anfasst, wird zu Gold.” Who You Give Your Heart To (mit Alexandria) beginnt reduziert und intim, bevor sich im Hintergrund etwas entwickelt, das nicht weit weg ist von einem Karneval. Eine interessante, etwas exotische Streicherfigur prägt No New Lies (mit Cosima) und sorgt zugleich dafür, dass der Song nicht in Chillout-Oberflächlichkeit verleibt.
Auch Hard To Believe (mit Jazmine Sullivan) hat eine dieser erstaunlichen Kindness-Dramaturgien. Zu Beginn gibt es vor allem Effekte, dann gewinnt der Track immer mehr Kraft und Klarheit, bis er am Ende wieder in einem Klangnebel verschwindet. „Hochleistungssoul“, hat der Musikexpress das nicht ganz unzutreffend genannt, und sehr clever die Methode von Bainbridge auf Something Like A War analysiert: „Er erinnert den Soul daran, was er war, was er ist und vor allem was er sein könnte. Aber bislang hat auch dieses Genie die Symbiose aus Avantgarde und Eingängigkeit, aus Experiment und Hitpotenzial noch nicht so dermaßen nonchalant und schlüssig vollzogen.“
Lost Without (mit Seinabo Sey) zeigt das mit einem House-Fundament in der Nähe von Hercules & Love Affair, allerdings sorgen die Bläser für ein Moment der Irritation, bevor der Bass dann im Schlussteil seine Vorliebe für Space-Funk ausleben darf. Der Album-Abschluss Call It Down (mit Cosima & Nadia Nair) beginnt mit einem Hilfegesuch. Es lautet „Hey there, friend / can you help me out?“, und passt damit bestens zu den vielen Featurings bei Kindness. Die beiden Stimmen zeigen hier, dass sie auch selbst stark genug sind, dennoch bleiben Gäste eine unverzichtbare Komponente für dieses Album.
Raise Up kommt ohne externe Verstärkung aus, kann aber ebenfalls als typisch für Something Like A War gelten: Es scheint sich, als der Beat einsetzt, zunächst in Richtung House zu bewegen, bevor vom Klavier ein Zweifel gestreut wird, ob das Ziel nicht doch eher Jazz ist, dazu kommen auch noch afrikanische Elemente. Darin, dass das Ergebnis nicht nur schlüssig klingt, sondern nach Gemeinschaft und Stolz, kann man durchaus so etwas wie eine Utopie von Kindness erkennen: Im besten Falle lassen sich nicht nur Musikstile harmonisch verbinden, sondern auch Weltanschauungen, Geschlechter und Klassen.