King Tuff Smalltown Stardust Albumkritik

King Tuff – „Smalltown Stardust“

Künstler*in King Tuff

King Tuff Smalltown Stardust Review Kritik
Die Sehnsucht nach der Heimat besingt King Tuff auf „Smalltown Stardust“.
Album Smalltown Stardust
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung

Wenn kreative Menschen sich nicht nur ein Projekt, sondern auch den Wohnraum teilen, kann das beflügelnd sein. Man denke nur an David Bowie und Iggy Pop, die Ende der 1970er Jahre zusammen in Berlin-Schöneberg gelebt haben, mit heute legendären Songs wie Lust For Life oder Heroes als Ergebnis. Oder an Matt Damon und Ben Affleck, die sich rund 20 Jahre später ein Haus in Malibu teilten, dort entstand unter anderem Good Will Hunting. Oder an die legendäre WG in der Villa Kunterbunt im Hamburg der 1970er Jahre, zu der unter anderem Udo Lindenberg, Otto Waalkes und Marius Müller-Westernhagen gehörten, und die für viele als eine der Geburtsstätten der gesamten alternativen Szene in der Stadt zählt.

So ähnlich kann man sich vielleicht das Zuhause von King Tuff alias Kyle Thomas in Los Angeles vorstellen. Er wohnt dort zusammen mit Sasami Ashworth und Meg Duffy (Hand Habits). Erstere hat zuletzt Squeeze herausgebracht, das vom Rolling Stone auf Platz 50 der besten Album des vergangenen Jahres gesetzt wurde. Letztere hat schon 2021 ihr drittes Album Fun House veröffentlicht, vom Musikexpress mit 4,5 Sternen und von The Fader als „Durchbruch“ bewertet. Kyle Thomas hat auf beiden Platten als Musiker und Tontechniker mitgewirkt – und parallel Smalltown Stardust geschrieben, an dem wiederum Sasami als Co-Autorin und -Produzentin große Anteile hat. “Ich habe versucht, mich sehr an ihrer Vision zu orientieren. Es hilft, seine Welt für Kollaborateure zu öffnen. Man bekommt immer etwas ganz anderes, als man erwartet hätte”, sagt er über die Zusammenarbeit mit seiner Kollegin, und ganz generell zum Geist des kreativen Austauschs: „Ich habe immer profitiert, wenn ich mich mit anderen Menschen umgeben habe, die etwas erschaffen. Man will miteinander aufblühen.“

Die Offenheit für Mitstreiter*innen macht sich auf seinem sechsten Album als King Tuff zweifelsohne bezahlt, wie man etwa im sehr originellen Arrangement von Always Find Me inklusive Bläsern, Elektronik und Harmoniegesang erkennen kann. Zugleich ist sie überraschend, weil er diesmal sehr persönliche Themen in seine Songs packt. Es geht ums Heimweh nach seiner Heimatstadt in Vermont, die er 2011 verlassen hat, und das ist nicht nur geografisch gemeint, sondern emotional. Er besingt die Sehnsucht nach der Geborgenheit und Überschaubarkeit der Kleinstadt, nach einer unbeschwerten Zeit und Menschen, die man schon sein Leben lang kennt. “In einer alternativen Dimension gibt es eine Version von mir, die immer noch dort lebt, immer noch auf der Treppe rumhängt, Bilder im Coffeeshop malt und die Eisenbahnschienen entlang des Flusses entlangläuft”, sagt Thomas.

Love Letters To Plants eröffnet die Platte mit einfachen Orgelsounds und einem komplizierten Beat, der aber auch nicht die Atmosphäre von Wohligkeit trüben kann, die sich als prägend für das gesamte Album erweisen soll. Das fluffige The Bandits Of Blue Sky wirkt wie ELO mit einem Hauch weniger Pomp, The Wheel ist so sanft und wunderhübsch, dass es zu Crosby, Stills & Nash gepasst hätte. Rock River ist straight, trocken und eingängig wie die Lieder von Tom Petty, auch Tell Me (in dem Sasami die zweite Stimme beisteuert) hat einen beträchtlichen Groove.

Immer wieder gelingt es King Tuff, seine individuellen Erfahrungen in universelle Gedanken münden zu lassen. Er nennt Smalltown Stardust ein „Album über Liebe, Natur und Jugend“ und packt all diese Themen natürlich auch in den Titelsong, der mit seinem Ideenreichtum und dem Quasi-HipHop-Beat auch von Beck vorstellbar wäre. „So lost in nothing but noise / for so many years / I forgot to love“, lautet seine Selbstdiagnose in How I Love, mündend in den Lösungsvorschlag „You can see me as I am / I can show you how I love.“ Das alles klingt so zärtlich und so sehr überzeugt von der Kraft seiner Schönheit, dass man (wie auch in anderen Momenten der Platte) auf John Lennon verweisen kann.

Portrait Of God enthält das Geständnis, dass er am Sonntag nicht in die Kirche geht, sondern im Dialog mit höheren Mächten „worshipping my own way“ vorzieht, indem er die Wunder der Welt erkennt und genießt. Das akustische Pebbles In A Stream feiert passend dazu die Erkenntnis, dass zu diesen Wundern auch das Finden einer großen Liebe gehören kann. „Ich wollte ein Album machen, das mich daran erinnert, wie magisch das Leben ist“, sagt Kyle Thomas. Wie praktisch, wenn man die Zauber-Gehilfen dann gleich im Zimmer nebenan hat.

Das Video zu Portrait Of God hätte sicher auch Bob Ross gefallen.

Website von King Tuff.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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