Kishi Bashi – „Emigrant“

Künstler*in Kishi Bashi

Kishi Bashi Emigrant Review Kritik
Den amerikanischen Westen erkundet Kishi Bashi als „Emigrant“.
EP Emigrant
Label Joyful Noise
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Kaoru Ishibashi alias Kishi Bashi kündigt Emigrant als so etwas wie eine Reprise zu seinem 2019er Album Omoiyari an. Das erstaunt zunächst, zumindest angesichts des Titels dieser EP. Schließlich hatte er sich auf dem Album dem Schicksal japanischer Einwanderer in den USA während des Zweiten Weltkriegs gewidmet, als diese nach den Angriffen auf Pearl Harbour in ihrem eigenen Heimatland teilweilse in Internierungslager gesteckt wurden und auch anderen Repressalien ausgesetzt waren.

Die Frage, warum es nun in diesen sechs Liedern ums Aus- statt Einwandern geht, kann er aber sehr einleuchtend beantworten. Für Omoiyari und den dazugehörigen Film hat er viel im amerikanischen Westen recherchiert und unter anderem eine Reise gemeinsam mit seiner Tochter aus seiner Heimatstadt Athens, Georgia, bis an die Westküste unternommen. Er ist also selbst zum Auswanderer geworden – und hat auf seinem Weg nach Westen zugleich die Gegend intensiv erkundet, die für die Siedlungsgeschichte des Kontinents und das amerikanische Selbstverständnis so prägend war. „Ich möchte die Historie verstehen, aber auch eintauchen und versuchen, sie zu vermenschlichen“, sagt er. „Ich versuche zu zeigen, dass wir alle die gleiche Art von Menschen sind. Wir haben die gleichen Sehnsüchte und Bedürfnisse, unsere Liebsten zu beschützen und auch das Alltägliche zu feiern.“

Aufgenommen wurden die neuen Songs dann wieder zuhause in Athens mit einigen engen Mitstreitern, darunter Mike Savino (Banjo), Emily Hope Price (Cello), Andrea DeMarcus (Kontrabass) und Dave Kirslis (Gitarre). Neben den Reiseerfahrungen prägte natürlich auch die Corona-Pandemie das Geschehen, Kishi Bashi sieht die EP als so etwas wie eine Zeitkapsel des Jahres 2020.

Dass seine Songs dabei auch sehr aktuell sein können, zeigt gleich der Auftakt Cascades, der beispielsweise mit dem Verweis auf Waldbrände die Folgen des Klimawandels thematisiert. Zugleich wird Cascades eine extrem überzeugende Einladung zum freundlichen und respektvollen Miteinander. Die Folk- und Country-Zutaten auf Emigrant entwickeln in Kombination mit seinem hier oft sehr hohen Gesang eine geradezu betörende Wirkung, das gilt auch für die beiden enthaltenen Coverversionen: Laughing With (im Original von Regina Spektor) wird zerbrechlich und senisibel, Early Morning Breeze (ursprünglich von Dolly Parton) ist zart in der Strophe und beherzt im Refrain.

Those Days Are Gone verbindet ein Bluegrass-Fundament mit einem sehr modernen Rhythmus und einer ungewöhnlichen Melodieführung. Town Of Pray schließt die EP so klassisch, stilsicher und am Ende mit großer Tragik ab, dass man sofort merkt, wie intensiv Kishi Bashi die Musik dieser Region aufgesogen hat.

Der Höhepunkt von Emigrant ist die Single Wait For Springtime. Die Magie dieser Jahreszeit wird hier meisterhaft eingefangen, das Erwachen, die Vorfreude nach einem (in Montana und den angrenzenden Bundesstaaten besonders) harten Winter. Zugleich ist – unter anderem durch den Harmoniegesang – der Appell zum Zusammenhalt spürbar, der für Kishi Bashi so zentral ist. Auch in diesem Song gibt es neben diesem universellen Ziel auch einen Bezug zum Tagesgeschehen, sagt er. „Es ist ein Lied über die Vorfreude und Hoffnung auf den Wendepunkt, der nach der Pandemie kommen wird. Auch wenn die Sehnsucht, sich gegenseitig in die Arme zu schließen und zu weinen, im Moment eine schwache Erinnerung sein mag, wissen wir in unserem Innersten, dass wir im sprichwörtlichen Frühling üppig wieder aufleben werden.“

Ziemlich märchenhaft ist das Video zu Wait For Springtime.

Website von Kishi Bashi.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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