Künstler*in | Kiwi Jr. | |
Album | Cooler Returns | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Man könnte Jeremy Gaudet (Gesang, Gitarre), Brohan Moore (Schlagzeug), Mike Walker (Bass) und Brian Murphy (Gitarre, er spielt außerdem auch Bass bei Alvvays) für neunmalkluge Zyniker halten. Sie spielen seit 2015 als Kiwi Jr. zusammen, haben 2020 ihrem Debütalbum den mega-ironischen Titel Football Money gegeben und legen nun mit einem Album nach, dem sie den ebenfalls besonders cleveren Titel Cooler Returns (weil sie ja zurückkehren, höhö) gegeben haben. Auch die Texte der Band aus Toronto könnten diesen Eindruck stützen, schließlich werden in den 13 neuen Liedern wieder reichlich obskure Geschichten erzählt oder einfach die Skurrilitäten der Welt thematisiert.
Das große Plus bei Kiwi Jr. ist indes: Trotz der oft ironischen Beobachterposition in den Texten ist ihre Musik nicht sperrig, selbstverliebt oder verfrickelt, sondern zugänglich, sogar konstruktiv. Es gibt schöne Melodien und Tanzbarkeit. Die Songs sind stets cool, verbieten sich aber keine Leidenschaft. Die Lyrics sind klug und originell, aber warmherzig. Die Lieder stecken voller Ideen, vergessen dabei aber nie den Vorwärtsdrang. Und genau deshalb ist Cooler Returns, produziert mit Graham Walsh (METZ, Bully) und während des Lockdowns fertiggestellt, so ein großes Vergnügen.
Tyler eröffnet die Platte mit etwas Jangle, einem schicken Backgroundchor und lustig klimpernden Piano. Undecided Voters bietet unter anderem eine Mundharmonika und einen Refrain mit etwas Punk-Spirit, Highlights Of 100 glänzt mit einer lebendigen Orgel und einem spektakulären Finale, Dodger wirkt vor allem durch das Klavier wunderbar verspielt, der Titelsong hat Lust auf Experimente im Rhythmus (“I’m not American / but I feel the beat sometimes”, singt Gaudet), unterstützt von sehr origineller Gitarrenarbeit.
Es ist schwer, Highlights von Cooler Returns zu benennen, vielmehr fällt auf: Stücke wie Guilty Party oder Nashville Wedding wären auf den Alben vieler vergleichbarer Acts herausragend, erscheinen hier inmitten dieses hohen Qualitätsniveaus aber fast wie Mitläufer. Leichter ist es, Bezugspunkte für Kiwi Jr. zu finden: So wie Domino könnten die Strokes klingen, wenn sie endlich einmal die Sonnenbrillen abnehmen würden, Waiting In Line erzeugt seine Wärme unter anderem mit Harmoniegesang und erlaubt sich zwischendurch auch Ausgelassenheit, was an Pavement denken lässt. Das etwas langsamere Only Here For A Haircut wäre von Ben Kweller oder den Gin Blossoms vorstellbar, und der schräge, plakative und bewusst naive Ansatz von Omaha (“There’s no proof that Woodstock ever happened in the first place”) dürfte Fans von Jonathan Richman begeistern.
In Norma Jean’s Jacket nehmen Kiwi Jr. zwar etwas Tempo heraus, haben aber trotzdem viel Punch. Und wer es schafft, aus einem kleinen Versicherungsbetrug einen Song wie Maid Marian’s Toast zu machen, in dem sich die Musik fast zu einem kleinen Tumult entwickelt und auch noch Zeilen für die Ewigkeit wie “It isn’t past until it burns” zu finden sind, der ist mit jedem Albumtitel der Welt willkommen.