Klaus Johann Grobe – „Du bist so symmetrisch“

Künstler Klaus Johann Grobe

Du bist so symmetrisch Klaus Johann Grobe Review Kritik
Die Orgel ist weg, die Stärken von Klaus Johann Grobe sind auf „Du bist so symmetrisch“ geblieben.
Album Du bist so symmetrisch
Label Trouble In Mind
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

The Bianca Story, Sheila She Loves You und Zeal & Ardor sind Acts, die schon mit dem Basler Pop-Preis ausgezeichnet wurden, der seit 2009 von einer unabhängigen Jury im Namen des örtlichen Rock-Förder-Vereins verliehen wird. Vor zwei Jahren wurde diese Ehre auch Klaus Johann Grobe zuteil. Was sie von den anderen Preisträgern unterscheidet: Sie sind international so gefragt, dass die Bandgründer Sevi Landolt und Daniel Bachmann die Trophäe nicht einmal selbst entgegen nehmen konnten, weil sie gerade auf Tour waren (zwar nur in Mannheim, aber immerhin). Ihr drittes Album Du bist so symmetrisch erscheint erneut beim US-Label Trouble In Mind. Die aktuelle Tour beinhaltet Stationen in London, Brüssel und Paris, in der Band-Biographie stehen auch schon gemeinsame Konzertreisen mit Unknown Mortal Orchestra und Temples.

Es könnte also deutlich schlechter laufen für das Duo. In so einem Moment sein Markenzeichen über Bord zu werfen, ist deshalb durchaus mutig: Die Hammond-Orgel, die dem Sound von Klaus Johann Grobe bisher so einen hohen Wiedererkennungswert verschafft hat, haben sie abgeschafft. Das Instrument, das Du bist so symmetrisch stattdessen prägt, ist der Bass. Er ist das zweite Instrument, das man im Album-Auftakt Discogedanken hört, und er gibt danach die Herrschaft über diese Platte nicht mehr ab.

Freilich gibt es auch einige Kontinuitäten zum bisherigen Schaffen. Das zeigt schon der erwähnte Songtitel: Discogedanken, zugleich die erste Single, führt die zentralen Stärken dieser Band zusammen. Die Tanzbarkeit ist hier noch ausgeprägter als zuvor, zugleich wird die Neigung zur Reflexion, auch zur Melancholie, noch ein wenig deutlicher. „Alles vergessen, was man schon einmal gedacht hat“, ist eine der Ideen im Songtext – dieses Spiel mit dem Aufeinandertreffen von Gegenwart und Erinnerung fand sich auch bereits auf früheren Songs der beiden Schweizer.

Auch im Klang lassen sich (auch ohne die Orgel) genug Verbindungen zu Im Sinne der Zeit (2014) und Spagat der Liebe (2016) erkennen. Dazu gehört die Vorliebe für analoges Equipment ebenso wie ein manchmal fast hypnotischer Effekt dieser Musik irgendwo zwischen Space-Funk, Psychedelic, Disco, Fusion und Krautrock. Du bist so symmetrisch ist zugleich tanzbarer und weniger verfrickelt als die Vorgänger als auch enorm fließend und entspannt. In den instrumentalen Passagen wirken diese Songs manchmal wie Hintergrundmusik, obwohl ganz viel passiert. „Die Klaus-Johann-Grobe-Version eines R’n’B-Albums“ nennt die Band das.

Zu spät könnte genauso gut Seventies total heißen. Ja! klingt zuerst wie 2-Bit-Computerspielmusik, dann bleibt der Track sogar dann noch funky, als die ersten Zeilen lauten „Aufstehen / zur Arbeit gehen“. Out Of Reach könnte man bei einer oberflächlichen Betrachtung in der Nähe von LCD Soundsystem’s Daft Punk Is Playing At My House platzieren, im Text machen sich Klaus Johann Grobe womöglich über Szenesprache lustig. Das etwas ruigere Du + Ich ist vielleicht ihre Entsprechung einer Ballade, es handelt von einer Zweisamkeit, die noch (oder wieder) undefiniert ist.

Dieses Rätselraten um die Bedeutung der Texte, das die Band manchmal spinnert wirken lassen kann, ist ebenfalls eine Konstante im Werk von Sevi Landolt und Daniel Bachmann. „Siehst du nicht: Mich gibt es nicht ganz dicht“, behaupten sie passenderweise in Siehst du mich noch? Später kokettieren sie mit Watte in meinem Kopf. Auch in Von Gestern bleibt das Thema im Ungefähren, umso klarer ist dafür die Perspektive: Wir gegen euch. Das trifft auch auf Der König zu, wo das Anderssein ebenso betont wird wie die Verwunderung über vieles, was die meisten als normal betrachten. Versuch einer Deutung: Es geht womöglich um die Begegnung mit einer wenig reflektierten, dafür aber tüchtig alkoholisierten Ausflugsgruppe in einer Regionalbahn. Ob das stimmt, ist letztlich zweitrangig, wie auch An diesem Abend zeigt. Ganz zum Abschluss von Du bist so symmetrisch machen Klaus Johann Grobe damit noch einmal klar: Bei ihnen sind auch die Texte psychedelisch.

Discogedanken sind ziemlich seltsame Wesen, zeigt das dazugehörige Video.

Website von Klaus Johann Grobe.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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