José Manuel Barroso wandelt auf den Spuren von Hugo Chavez. Einen Tag, nachdem der Präsident Venezuelas angekündigt hat, einen großen Stromversorger des Landes zu verstaatlichen, lässt nun der Präsident der EU-Kommission die Bombe platzen: Das beste für den Wettbewerb auf dem europäischen Energiemarkt wäre es, Erzeuger und Verteiler zu trennen. Eon, Vattenfall & Co. sollen Stromleitungen und Gasrohre weggenommen werden. Eine Kriegserklärung.
Die Worte des Portugiesen sind Balsam auf die Seele für jeden, der in den vergangenen Monaten eine Strom- oder Gasrechnung bekommen hat. Brüssel macht klar: Der Markt funktioniert in diesem Bereich nicht, und die Verbraucher müssen die Zeche dafür zahlen. Allein in Deutschland streichen die Energieversorger durch überhöhte Preise pro Jahr 20 Milliarden Euro ein, ergaben EU-Berechnungen.
Die Pläne der Kommission setzen auch am richtigen Punkt an. Theoretisch kann ein Unternehmen derzeit noch so günstig Strom oder Gas erzeugen und dem Verbraucher anbieten wollen – wenn die Monopolisten ihm keinen fairen Zugang zu ihren Leitungen gewähren, wird dieses Angebot nie beim Kunden ankommen. Deshalb aber gleich Enteignungen zu fordern, geht zu weit. Egal, wie raffgierig RWE oder ENBW auch sein mögen: Die Netze gehören ihnen, und das Recht auf Eigentum ist im Grundgesetz geschützt.
Barrosos Vorschlag hat deshalb kaum Aussichten auf Verwirklichung. Neben rechtlichen Hürden stehen politische Widerstände. Letztlich entscheiden die Mitgliedsstaaten über das Konzept. Sowohl Deutschland als auch Frankreich haben massive Bedenken. Zudem sind die Pläne auch nicht ausgereift. Wer soll die Leitungen kaufen? Wer soll sie unterhalten? Dass die Börse gestern so gut wie gar nicht reagierte, zeigt, wie gering die Chancen auf eine Umsetzung sind.
Bessere Aussichten hat Plan B, der nicht auf Enteignung, sondern auf eine stärkere Regulierung setzt. Zwar hat es nach der Liberalisierung der Energiemärkte fast zehn Jahre gedauert, aber in diesem Bereich sind Fortschritte zu erkennen. Aufmerksamere, mächtigere und besser vernetzte Aufsichtsbehörden können durchaus Druck auf die Preise ausüben. Die Bundesnetzagentur hat das zuletzt bewiesen.
Dass die Kommission mit einer Maximalforderung auf den Plan tritt, ist verständlich. Denn so kann Stimmung gemacht und von Seiten der Verbraucher Druck aufgebaut werden. Wie nötig das ist, haben die Energieriesen gestern selbst bewiesen: Sie drohten nach Bekanntwerden des EU-Konzepts prompt mit Investitionsstopps. Dass nicht nur die Kunden den Strom brauchen, sondern die Unternehmen auch die Kunden, scheinen sie zu vergessen. Und der Hinweis, mehr Wettbewerb werde zu weniger Investitionen und mangelnder Qualität führen, dürfte für alle RWE-Kunden wie Hohn klingen, die nach gebrochenen Strommasten im Münsterland im vergangenen Winter tagelang im Dunkeln saßen.