Künstler*in | Kurt Prödel | |
EP | Wie kann man mit sich selbst so zufrieden sein | |
Label | Musikbetrieb Rock | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Man könnte versuchen, die erste Solo-EP von Kurt Prödel in 140 Zeichen zu rezensieren. Schließlich hat der Mann aus Köln zunächst mit seinem Twitter-Profil, das mehr als 20.000 Follower*innen hat, Popularität gewonnen. Aber ihn darauf zu beschränken, würde erstens nicht der Vielfalt seiner Aktivitäten gerecht werden (er dreht Musikvideos beispielsweise für Haiyti, hat drei Hörbücher und die Mini-Webserie Kurt ihm sein Hund produziert, liefert sarkastische Bildungsfernsehen-Beiträge für Studio Schmitt bei ZDFneo und ist nicht zuletzt Schlagzeuger bei den 2018 gegründeten The Screenshots, die bisher drei Alben veröffentlicht haben). Und es wäre zweitens ein bisschen zu wenig Platz, um die fünf wunderbaren Lieder auf Wie kann man mit sich selbst so zufrieden sein angemessen zu würdigen.
Die Basis dieser ausschließlich digital veröffentlichten Songs ist stets eine Schrammelgitarre, dazu kommen manchmal Bass und Schlagzeug, auch Orgeln, Streicher und ein paar Glöckchen lassen sich in ein paar Momenten erkennen. Dieses Understatement in den Arrangements passt zu seinen Texten, die stets das Ziel haben, das Oberflächliche und vermeintlich Normale als erstaunlich oder unsinnig zu entlarven, und es passt noch mehr zu seiner Stimme, die stets klingt wie gerade erst aus dem Ei geschlüpft.
Das EP-Format eignet sich perfekt für seine Musik. Denn musikalisch wird auf Wie kann man mit sich selbst so zufrieden sein bei Weitem nicht so groß aufgefahren wie beispielsweise bei den geistesverwandten Rainald Grebe oder Friedemann Weise, auch der Humor von Kurt Prödel ist so angelegt, dass er zwar klug und wirkungsvoll ist, aber nicht elaboriert wirkt. Auf Albumlänge könnte sich da durchaus die Gefahr der Abnutzung einstellen, was hier aber clever vermieden wird.
Ich erkläre dir Musik eröffnet die EP und nimmt Mansplaining im Allgemeinen und den anstrengenden Enthusiasmus von Popkultur-Blog-Leser*innen (ähem), Komplettist*innen und einstigen Visions-Abonnent*innen im Speziellen aufs Korn. Die blinde Ergebenheit und unkaputtbare Treue eines Vierbeiners wird in Aber ein Hund der Unzuverlässigkeit der Menschen („Ihr seid alles Verräter*innen!“) gegenübergestellt, woraus zwischen den Zeilen natürlich der Hinweis erwächst, dass es vielleicht gar nicht so schlecht ist, dass man als Nicht-Hund a) seine Meinung ändern kann und b) selbst herausfinden muss, wem man auf der Welt vertrauen kann.
Jeder Mensch ist faszinierend lautet schließlich Kurt Prödels Beobachtung im gleichnamigen Duett mit Fritzi Ernst über die Vielfalt der Erscheinungsformen unserer Gattung, die von albern bis erhaben reichen kann und zur Erkenntnis führt: „Ich komm gar nicht darauf klar.“ Singles blickt einerseits etwas mitleidig auf Alleinstehende („Singles sind auch nur Menschen, aber allein“) und beneidet sie andererseits recht unverhohlen darum, dass sie eben auch ein Leben jenseits der Pärchenbeziehung haben.
Der Höhepunkt der EP ist der Titelsong. Natürlich ist sein Wie kann man mit sich selbst so zufrieden sein auf niemand anderen bezogen als auf den Künstler selbst, und er zeigt hier noch ein bisschen deutlicher als in den anderen Liedern, was ihm so viel Anlass zur Selbstbeweihräucherung gibt: Die Musik ist klasse (und ließe sich bei Bedarf zu einer veritablen Power-Ballade aufblasen), der Text karikiert auf subtile Weise sowohl unsere Leistungskultur als auch die permanenten Versuche der Welt, uns allen einzureden, dass uns etwas (meist: ein überflüssiges Produkt, eine verzichtbare Dienstleistung oder das Hereinfallen auf eine Ideologie) fehlt zum perfekten Glück. Dem setzt Kurt Prödel ein trotziges „Ich bin mega zufrieden mit mir“ entgegen, und toppt das später noch mit dem Hinweis: „Aber mir reichen auch so 70 Prozent.“ Da kann man nur gratulieren.