Kyle Craft – „Showboat Honey“

Künstler Kyle Craft

Kyle Craft Showboat Honey Review Kritik
Die Band von Kyle Craft hat auf „Showboat Honey“ eine prominentere Rolle.
Album Showboat Honey
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Showboat Honey ist eine Platte, die Dave Sardy lieben würde. Alles daran ist so klassisch wie der Werdegang von Kyle Craft: Kirchenchor, mit 15 eine Gitarre als Weihnachtsgeschenk, erste Songs auf dem Laptop aufgenommen, eine Band in den Sand gesetzt (Gashcat), dann als Solist mit dem Debüt Dolls Of Highland (2016) durchgestartet. Alles in seiner Musik ist so mit der Geschichte des Rock’N’Roll getränkt, wie es die Vorbilder des Künstlers aus Portland erahnen lassen: „Nichts in meinem Leben hatte einen größeren Einfluss auf mich als der Moment, in dem ich zum ersten Mal Bob Dylan gehört habe. Das hat sofort mein Leben verändert“, sagt Kyle Craft.

Als größtes Vorbild für seinen Gesangsstil nennt der 30-Jährige David Bowie, wenn er etwas aktuelle Referenzen nennen soll, fallen auch die Namen von modernen Klassizisten wie Father John Misty oder den Drive-By Truckers, für die er schon einmal im Vorprogramm gespielt hat. Der Rolling Stone hat einst treffend umschrieben, dass Kyle Craft sehr gekonnt gleich mehrere Glanzzeiten der Rockgeschichte in seinen Sound integriert, der demnach klingt „wie eine Jukebox in einer Sumpfbar, die mit ganz viel britischem Glam und Südstaaten-Rock aus den Siebzigern bestückt ist“.

Auch auf seinem morgen erscheinenden dritten Album lassen sich diese Koordinaten mühelos ausmachen. Die Bandbreite reicht von 2 Ugly 4 NY, das man sich gut von Ryan Adams (noch so ein Retro-Großmeister) vorstellen könnte, über das ausgelassene She’s Lily Riptide, das zu Abba oder in die Rocky Horror Picture Show passen würde, bis hin zum von Streichern bereicherten Deathwish Blue. Dieses Lied könnte aus dem Oeuvre von John Lennon stammen, nicht nur, weil die wichtigsten beiden Wörter „Woman, woman“ heißen.

Freilich gibt es auch etliche Neuerungen auf Showboat Honey, die wichtigste davon zeigt schon der Titel. „Showboat Honey“ ist der Name der Liveband von Kyle Craft, die jetzt offizielle Begleitband ist. Schlagzeuger Haven Mutlz, Bassist Billy Slater, Pianist Kevin Clark, Organist Ben Steinmetz und Gitarrist Jeremy Kale haben bei den Aufnahmen zu dieser Platte im Band-eigenen Studio signifikante Beiträge geleistet, Clark und Slater waren gemeinsam mit Kyle Craft auch Co-Produzenten des Albums. „Wir sind diese Platte ganz entschieden anders angegangen. Ich habe die Demos gemacht und sie dann auf die Band losgelassen, damit die ihre Ideen einbringen können“, bestätigt Kyle Craft.

Dem Auftakt Broken Mirror Pose hört man diese organische Entstehungsweise beispielsweise durch seinen interessanten, beunruhigenden Groove an. Bed Of Needles #2 fährt Streicher, am Ende auch Bläser und vor allem viel Sehnsucht auf. Blood In The Water beginnt fast acappella, was danach folgt, würde beinahe in eine Operette oder ein Musical passen. Auch an anderen Stellen hat Showboat Honey überraschende Elemente zu bieten: Die Gitarre in O! Lucky Hand klingt asiatisch. Johnny (Free & Easy), das von einer missglückten Hollywood-Swingerparty handelt, ist weitgehend akustisch, platziert am Anfang aber Streicher, die wirken, als seien sie bei All You Need Is Love vergessen worden. Das dramatische Buzzkill Caterwaul enthält die Quasi-Titelzeile („Once you were the showboat honey / but your ship sailed out”) und orientiert sich laut Kyle Craft an der Idee, Leon Russell und Patti Smith aufeinander krachen zu lassen.

Thematisch geht es auf Showboat Honey um „Pech und Glück, die dich im selben Moment treffen“, sagt der 30-Jährige. „Dann finde ich, wie aus dem Nichts, plötzlich die Liebe. Alles lief scheiße, außer dieser einen Sache. So ist das Leben wohl.“ Sunday Driver ist der Song, in dem dieses Gefühl am deutlichsten wird. So zentral das Stück textlich ist, so sehr wird es musikalisch indes zu einem der wenigen Schwachpunkte des Albums: Hier wird die Orientierung an klassischen Rocksounds schlicht ein wenig zu langweilig. Auch Blackhole/Joyride ist nicht makellos: Das etwas hektische Schlagzeug passt hier nicht zur eher schwelgerischen Atmosphäre.

Insgesamt ist auf Showboat Honey aber unverkennbar, wie sehr Kyle Craft durch die engere Zusammenarbeit mit seinen Mitstreitern beflügelt wird. „Es gab einen Moment, in dem wir dachten, wir hätten das Album schon im Kasten. Dann dachte ich: Scheiße, dass ist es noch nicht wirklich. Es war so ein Bauchgefühl. Im Rückblick bin ich sehr froh darüber, denn es hat mich dazu gebracht, noch einige der besten Lieder zu machen, die ich je geschrieben habe.“

Für das Video zu 2 Ugly 4 NY verkleidet sich Kyle Craft als Grim Reaper – wie früher als Straßenmusiker in Portland.

Kyle Craft bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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