La Jungle Ephemeral Feast Review

La Jungle – „Ephemeral Feast“

Künstler*in La Jungle

La Jungle Ephemeral Feast Review Kritik
Das Covermotiv ist typisch für den Sound auf „Ephemeral Feast“.
Album Ephemeral Feast
Label À tant rêver du roi
Erscheinungsjahr 2022
Bewertung

Man soll ein Buch (oder ein Album) ja nicht nach dem Cover beurteilen. Im Fall des heute erscheinenden Ephemeral Feast, dem fünften Studioalbum von La Jungle, findet sich darauf aber bereits ein sehr entscheidender Hinweis für das Wesen dieses Werks. Denn die Plattenhülle zeigt eine vom amerikanischen Illustrator Gideon Chase gestaltete Statue der Mutter Erde, und zwar eine ziemlich brüchige. Man erkennt schnell: Sollte man aus dieser fragilen Figur nur einen Stein herausnehmen oder nur eine kleine Erschütterung verursachen, bricht sie zusammen. Übersetzt bedeutet das: Die Menschheit hat den Planeten ziemlich nahe an den Kollaps gebracht, und es ist höchste Zeit, das Ruder herumzureißen (oder sich wenigsten ein paar sehr ernstzunehmende Sorgen um die Zukunft zu machen).

Das Duo aus Belgien, das sonst auch einmal für Rave-Euphorie oder Krautrock-Ekstase zu haben ist, hat diesmal in Isolation arbeiten müssen, entsprechend präsenter sind Ängste und Bedrohungen im Sound von La Jungle. Rémy Venant alias Roxie Rookie (Schlagzeug) und Mathieu Flasse alias Jim Frisko (Gitarre) zeigen auf der erneut mit Produzent Hugo-Alexandre Pernot enstandenen Platte eine erstaunliche Vorliebe für düstere Melodien und Atmosphären à la John Carpenter.

Hallow Love? lässt noch am ehesten elektronische Elemente erkennen und rückt damit in die Nähe von Apollo 440 oder The Prodigy, auch durch die fiese Stimme, die unter Einfluss von Substanzen oder Dämonen zu stehen scheint. Die andere Seite des Spektrums bildet ein Track wie No Eyes, der eine Wut und Frust wie Therapy? erkennen lässt und gut und gerne als „Metal“ bezeichnet werden darf. Die atonalen Elemente in Intron zeigen eine Verwandtschaft zu PIL, die man in einigen Stücken von Ephemeral Feast finden kann, The Lake entwickelt sich nach einem sehr ruhigen Beginn über eine Dark-Wave-Passage hin zu einem Zombie-Karneval. Another Look To The Woman In The Gloom wirkt, als hätte sich der Swamp Song von Oasis entschieden, Amok zu laufen.

Couleur Calcium ist ein weiterer Song, in dem alles im Modus von Alarm und Panik agiert, Rivari setzt ebenfalls auf Tempo und Wucht, bezieht seine Wirkung aber auch aus einer Irritation, die durch die ungewöhnlichen Drums und den Gesang entsteht. „Always on my mind“ wiederholt die Stimme am Ende, aber Elvis wäre wohl (noch mehr als ohnehin) durchgedreht, hätte er jemals solche Musik zu Gehör bekommen. VVCCLD schließt das Album ab, es wird mit ruhiger Gitarre und einem hypnotischen Rhythmus die La-Jungle-Entsprechung einer Ballade, beinahe eine Beschwörung, deren Reiz in der Langsamkeit des Spannungsaufbaus und der Verzögerung der Variation liegt.

Insgesamt ist beeindruckend, wie es dem Duo gelingt, mit ganz wenig Text dennoch sehr klare Aussagen zu treffen und prägnante Bilder zu erzeugen. Auch De verna ist ein Beispiel dafür. Es kombiniert einen Chor der Verdammten mit Tribal-Drums und würde so gut zu einem dystopischen Computerspiel passen – oder eben zur schwer einsturzgefährdeten Statue auf dem Cover von Ephemeral Feast.

Nahe am Weltuntergang ist auch das Video zu Another Look To The Woman In The Gloom angesiedelt.

Website von La Jungle.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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